Film und Ausstellung über Otto Muehl

Becoming Otto

Einen Vorboten auf den kommenden 85. Geburtstag des umstrittenen Künstlers Otto Muehl am 16. Juni gab es bereits am 1. Juni im Wiener MAK: Der Dokumentarfilm "Becoming Otto" des Schweizer Kunsthistorikers und Regisseurs Vincent Juillerat feierte seine Uraufführung.

Nach einem Podiumsgespräch von Juillerat, seinem Cutter Sean Cullen, MAK-Direktor Peter Noever und der Leiterin des Muehl-Archives Danièle Roussel wurde Muehls neunteiliges Großbild "Apokalypse/Keinen Keks Heute", auf das 1998 in der Secession ein Farbanschlag verübt worden und das zwischenzeitlich mit einem gerichtlichen Ausstellungsverbot belegt war, erstmals wieder in adaptierter Form präsentiert.

Das Leben - ein Grenzgang

Der nur 30-minütige, von Selenium Films produzierte Film "Becoming Otto" enthält eine erstaunlich breite Materialsammlung und bietet einen unaufgeregten Überblick über das radikale Schaffen Muehls, der alle Grenzen zwischen Kunst und Leben, sozialer und künstlerischer Utopie zu sprengen suchte und dabei auch mit Gesetzen in Konflikt kam.

Durch teilweise noch nie veröffentlichtes Archivmaterial wird deutlich, dass es Muehl in seinen Aktionen schon früh darauf anlegte, so weit wie möglich zu gehen. Der Schock der Öffentlichkeit, den er etwa durch seine auf Einladung von Harald Szeemann durchgeführte Aktion im Rahmen der Kölner Schau "Happening & Fluxus" 1970 auslöste, ist beim Ansehen der Filmausschnitte auch heute sehr gut nachvollziehbar. Als wichtige Tonspur dienen Ausschnitte aus langen Gesprächen, die 2008 im portugiesischen Faro geführt wurden, wo Muehl mit verbliebenen Mitgliedern der einstigen Kommune lebt.

Verurteilung und die heutige Sicht

Auch die Verurteilung des Kommunengründers 1991 wegen einer Reihe von Sittlichkeitsdelikten, allen voran Unzucht mit Unmündigen, sowie Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft (von denen er sechseinhalb verbüßte), wird im Film thematisiert. Leicht polemisch wirken dabei nur die gegen die bunten Muehl-Aufnahmen gegengeschnittenen Schwarz-Weiß-Bilder von österreichischen Politikern und Richtern aus der Zeit.

Fröhlichkeit und Anarchie des Einzelnen gegen Verkrustung und Erstarrung der Apparate lautet die klare Botschaft dabei. Dass Muehl dabei wohl nicht nur staatlich vorgegebene Normen, sondern auch die persönliche Integrität von Mitmenschen verletzt hat, scheint heute unstrittig. "Ich glaube, dass Otto Muehl in vielen Bereichen gescheitert ist, und dass er es weiß", sagte die Muehl-Vertraute Roussel in der Diskussion.

Der Bildersturm des Jahres 1998

"Apokalypse/Keinen Keks Heute" wird bis 1. August in der großen MAK-Ausstellungshalle zu sehen sein. Eindrucksvoll sind an diesem Bild die vielfältigen Verstrickungen von Kunst und Gerichtsbarkeit im Schaffen Muehls abzulesen: "Pornojäger" Martin Humer hatte 1998 in der Secession die Bild-Collage, auf der 33 öffentlich bekannte Personen in teilweise obszönen Situationen dargestellt sind, durch einen Farbbeutel-Wurf beschädigt. Nach mehreren Prozessen war Humer in letzter Instanz schließlich vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen worden, dafür hatte das Oberlandesgericht Wien im Jahr 2000 nach einer Klage des (ebenfalls auf dem Bild dargestellten) früheren FPÖ-Generalsekretärs Walter Meischberger ein Ausstellungsverbot verhängt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hob 2007 dieses Ausstellungsverbot als "nicht angemessen" auf.

Das Bild wurde vor seiner nun erfolgten erstmaligen Wiederpräsentation nicht restauriert, doch vom Künstler adaptiert: Die roten Farbspuren sind weiterhin zu sehen. Dafür prangt nun das Konterfei von MAK-Direktor Peter Noever auf einer der zentralen Figuren. Noever zeigte sich gestern "überrascht".

Ausstellungen

Ab 8. Juni zeigt die Galerie Krinzinger in Wien Werke von Otto Muehl unter dem Titel "Otto Muehl. Ensevelissement d'une vénus".

Ab 11. Juni zeigt das Leopold Museum eine Auswahl von rund 80 Werken des Künstlers aus der "Sammlung Leopold II", der privaten Kollektion des Sammlers.

Am 17. Juni findet in der Wiener Galerie Konzett die Vernissage zu der von Danièle Roussel kuratierten Ausstellung "Otto Muehl - Excess Art" mit Bildern aus den Jahren 2000 bis 2007 statt. Im Mittelpunkt stehen Werkteile des von Muehl ab 2001 entwickeltem "Electric Painting", elektronisch gemalter Collagen, bei denen Einzelfotos von Aktionen am Computer weiterentwickelt, die Zwischenphasen abgespeichert und teilweise zu Filmen zusammengefügt werden. Bei ebenfalls gezeigten "Excess Art"-Objekten findet die Malerei über den Umweg der Beschäftigung mit dem Computers wieder aus der Tube auf die Leinwand.

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