Weichzeichner unter den Fotostudios
WestLicht zeigt Werke von Foto Simonis
Wer kennt sie nicht, die Porträts der Bundespräsidenten und Bürgermeister, die in den Schulklassen und Amtsstuben allgegenwärtig waren? Sie alle stammten von Photo Simonis. Die Wiener Galerie WestLicht zeigt eine Auswahl des Archivs von Photo Simonis.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 07.06.2010
Photo Simonis war Österreichs bekanntestes Fotostudio der Nachkriegszeit. Praktisch die gesamte Prominenz aus Politik, Kultur und Gesellschaft ließ sich bei dieser Wiener Institution fotografieren. Nach der Auflösung des Unternehmens 2005 wurde der umfangreiche Bestand gerettet und vom Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erworben.
Photo Simonis war der Weichzeichner unter den österreichischen Fotostudios: Die Kunst der Retusche befreite die Abgebildeten nicht nur von Falten und Hautunreinheiten, sondern beeinflusste auch Optik und Lichtverhältnisse.
Die Schönheitsideale der Nachkriegsjahrzehnte
Mit seiner charakteristischen Fototechnik entsprach Photo Simonis den Schönheitsidealen der Nachkriegsjahrzehnte, erklärt Uwel Schögl, stellvertretender Direktor des Bildarchives in der Österreichischen Nationalbibliothek und Kurator der Ausstellung in der Galerie WestLicht: "Das war ein Stil, der in der Zeit gewollt wurde. Das wurde durch Weichzeichnerlinsen und auch in der Nachbearbeitung gemacht. Das Weichzeichnerische hatte auch den Vorteil, dass die Bilder nicht so fotorealistisch wirkten. Sie wirkten etwas entrückt, in die Malerei versetzt und das war etwas, das mit Noblesse und mit einer speziellen Ästhetik von Photo Simonis verbunden wurde."
Beste Kontakte zur Prominenz
Die Geschichte des Fotounternehmens begann 1917 mit Julius Simonis. Aus einer Wiener Kaffeehausdynastie stammend, machte er sich 1917 selbstständig und eröffnete ein in Wien ein Fotoatelier. Simonis war - wie man heute sagen würde - ein Networker: Er unterhielt beste Kontakte zur Prominenz in Politik, Wirtschaft und Kultur.
Davon profitierte auch sein Sohn Heinz, der 1936 sein eigenes Atelier gründete. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Heinz Simonis schließlich jenes Geschäft in der Währinger Straße, das zur Wiener Institution wurde. Photo Simonis war der Fotograf der Prominenten und stellte 1950 als erstes Studio in Österreich Farbfotos her.
Aufblühende Werbefotografie
Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld war die aufblühende Werbefotografie, in der man begann, bekannte Persönlichkeiten einzusetzen, erklärt Schögl: "O.W. Fischer hat zum Beispiel für Hut Schick als prominenter Werbeträger fungiert. Das war eine Novität in dieser Zeit. Die Plakate wechselten in den 1950er Jahren von der grafischen Darstellung in die fotografische Präsentation von Werbesujets. Das heißt: Bundeskanzler Schärf ließ sich fotografieren, und sein Konterfei wurde dann für Wahlplakate verwendet. Hier war Simonis sehr aktiv beteiligt."
Photo Simonis habe nicht nur fast die gesamte österreichische Prominenz porträtiert, sondern sei auch ein Stück Kultur- und Zeitgeschichte, sagt Schögl. Als das Unternehmen 2005 geschlossen wurde, stand das Archiv kurz davor, vernichtet zu werden, erzählt Peter Coeln, Leiter der Galerie WestLicht.
Rettung in letzter Minute
"Ich bin dann hingefahren und hab gesagt: Das ist ein Wahnsinn, das ist ein Mord am Kulturgut und wir müssen das auf jeden Fall verhindern. So kam es, dass die Nationalbibliothek ins Spiel kam und die Besitzerin von Simonis überreden konnte, das Archiv in die Nationalbibliothek überstellen zu lassen. Somit war es gerettet. Aber es war sehr knapp und es wäre fast am Scheiterhaufen gelandet", so Coeln.
120 Originalabzüge sind nun bis 31. Juli in der Galerie WestLicht zu sehen. Die Nationalbibliothek will das Archiv - darunter Tausende Negative und bis zu 600 Schautafeln - in den kommenden Jahren digitalisieren und die abgebildeten Personen identifizieren. Die Datenbank soll dann jedem zu Verfügung stehen - auch zur Erforschung der eigenen Familiengeschichte.
Service
Ausstellung "Photo Simonis", WestLicht, 8. Juni bis 31. Juli 2010
WestLicht
ÖNB
Brandstätter Verlag - Photo Simonis