25 Jahre nach Bhopal
Schuldsprüche wegen Giftgas-Katastrophe
Mehr als 25 Jahre nach der Giftgas-Katastrophe von Bhopal hat ein indisches Strafgericht acht der Verantwortlichen des damaligen US-Chemieriesen Union Carbide schuldig gesprochen. Zehntausende Menschen waren an giftigem Pflanzenschutzmittel gestorben, das aus einem Tank der Firma entwichen war.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 07.06.2010
Bis zu 30.000 Tote
Nach Angaben der indischen Regierung starben bis zu 10.000 Menschen in den ersten drei Tagen nach der Giftgaskatastrophe, rund 100.000 weitere leiden bis heute an den Spätfolgen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von bis zu 30.000 Todesopfern.
40 Tonnen Gift entwichen
Am 3. Dezember 1984 ereignete sich in der zentralindischen Stadt Bhopal eine der schlimmsten Umweltkatastrophen überhaupt. Aus einem Gastank der Fabrik, in welcher der US-Gigant Union Carbide Pflanzenschutzmittel für Indiens "grüne Revolution" produzieren ließ, waren in den Nachtstunden 40 Tonnen hochgiftiges Methylisocyanat (MIC) entwichen und hatten sich über die dicht besiedelten Armenviertel von Bhopal gesenkt.
Verseuchte Umgebung
Auf dem Fabrikgrundstück lagern nach Angaben von Umweltaktivisten noch immer tonnenweise giftige Chemikalien, die den Boden und das Wasser in einem Umkreis von bis zu fünf Kilometern verseuchten. Tausende weitere Tonnen lagern in sogenannten "Verdunstungsteichen", in denen Union Carbide über Jahre hinweg bis zu dem Unfall seine Abfälle geworfen hatte.
Noch immer nicht saniert
Für die Sanierung ist seit 1998 die Regierung von Madhya Pradesh zuständig. Doch bis heute ist sie ihrer Aufgabe nach Angaben der Bhopal-Verbände nur halbherzig nachgekommen. Während die Behörden erklären, die Industriebrache sei sicher, weisen jüngste Studien um das Vielfache erhöhte Giftkonzentrationen im Grundwasser auf. Indiens Regierungschef Manmohan Singh versprach nun weitere Anstrengungen für sauberes Trinkwasser und zur Sanierung des Fabrikgeländes.
Entschädigungszahlungen
In einer Erklärung zum Jahrestag der Katastrophe erinnerte der US-Konzern Dow Chemical, der 1999 Union Carbide übernommen hatte, an die bereits geleisteten Entschädigungszahlungen in Höhe von 470 Millionen Dollar (zurzeit rund 390 Mio. Euro). Union Carbide habe "alles in seiner Macht Stehende getan, um den Opfern zu helfen". Für die weiteren Konsequenzen seien die indischen Behörden zuständig.
Strafverfolgung ausgesetzt
Union Carbide und die indische Regierung hatten sich 1989 auf die Zahlung von 470 Millionen Dollar geeinigt, im Gegenzug wurden damals alle Strafverfolgungen gegen mögliche Verantwortliche fallengelassen. Der Konzern erklärte seinerzeit, das Unglück sei durch Sabotage ausgelöst worden. Der Prozess gegen die Firma und ihre Manager sollte klären, ob nicht doch schuldhaftes Verhalten vorlag.
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Prozess längst überfällig
Das indische Justizsystem ist für seine schleppende Prozessführung berüchtigt. Aber in diesem Fall ist bis zum Urteil mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, und das war nur die erste Instanz. Einer der Beschuldigten ist inzwischen gestorben. Die Firma Union Carbide, die auch angeklagt war, existiert in dieser Form nicht mehr. Der damalige amerikanische Firmenchef Warren Anderson kann in den USA seinen Ruhestand genießen und musste nicht einmal vor Gericht erscheinen. Ein Auslieferungsantrag verlief bereits innerhalb Indiens im Sand. Er wurde einfach als abwesend geführt, gegen ihn gibt es daher kein Urteil. Verurteilt wurden nur acht höhere indische Manager. Sie werden höchstens für zwei Jahre ins Gefängnis gehen oder Geldstrafen erhalten, denn ihnen wurde nur Fahrlässigkeit nachgewiesen.
"Schlechter Witz"
Schwerwiegendere Anklagepunkte wurden schon vor zehn Jahren fallen gelassen. "Für die Zehntausenden Opfer und Angehörigen ist das Urteil ein schlechter Witz", sagt einer der Aktivisten, die am Prozess teilgenommen haben. Zwar ist nun nicht mehr von einem reinen Unfall die Rede, doch niemand hat für die bis heute schwerste Industriekatastrophe je die Verantwortung übernommen.
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