Christdemokraten vor Ablöse in Parlamentswahl

Machtwechsel in den Niederlanden?

Die Niederländer wählen heute ein neues Parlament. Den Umfragen zufolge wird es einen Machtwechsel geben. Die Rechtsliberalen dürften die stimmenstärkste Partei werden und die Christdemokraten ablösen. Die schwarz-rote Regierung von Jan Peter Balkenende war wegen des Streits um den niederländischen Afghanistan-Einsatz im Februar zerbrochen.

Morgenjournal, 09.06.2010

Parteienvielfalt, auch im Parlament

Durch einen demokratiepolitischen Dschungel müssen sich heute die niederländischen Wähler schlagen. Zur Parlamentswahl treten 19 Parteien an - darunter auch durchwegs unkonventionelle, wie die "Partei für Mensch und Geist" mit einer Astrologin als Spitzenkandidatin, oder die "Partei für die Tiere", die schon jetzt im Parlament vertreten ist. Gut der Hälfte der wahlwerbenden Gruppen dürfte der Einzug ins niederländische Parlament gelingen. Sie müssen dafür jeweils lediglich 0,67 Prozent der Stimmen erhalten.

Machtwechsel vorgezeichnet

Die Mehrheit der zwölfeinhalb Millionen Wahlberechtigten wird sich wohl aber den traditionellen, größeren Parteien zuwenden. Und hier zeichnet sich ein Machtwechsel ab - die christdemokratische Partei von Premierminister Jan Peter Balkenende wird den Umfragen zufolge eine schwere Niederlage erleiden. Sie liegt derzeit auf Platz drei.

Populärer Ex-Bürgermeister

Auf Platz zwei ist in den Umfragen die sozialdemokratische "Partei für die Arbeit". Spitzenkandidat ist Job Cohen, der populäre Ex-Bürgermeister von Amsterdam. Ein Hardliner in Sicherheitsfragen, gleichzeitig aber stets Vermittler zwischen Muslimen und Nichtmuslimen.

Mit Sparprogramm zum Wahlsieg?

Platz Eins in den Umfragen geht an die Rechtsliberalen mit Mark Rutte. Er will mit einem strengen Sparpaket den Staatshaushalt wieder in Ordnung bringen. Drastische Kürzungen planen übrigens alle drei Parteien, die derzeit die Umfragen anführen.

Themenwechsel im Wahlkampf

Wirtschaftsthemen haben im Finale des Wahlkampfs die Dauerbrenner Einwanderung und Immigration abgelöst. Dadurch hat auch der Rechtspopulist und Islamkritiker Geert Wilders einen Dämpfer erhalten. Er liegt nun auf Platz vier. Dennoch dürfte er die Anzahl seiner derzeit 8 Sitze im Parlament verdoppeln und könnte bei der Regierungsbildung mitmischen.

Sparkurs statt Islam

Die Rechtspopulisten haben in den Niederlanden ihre Zugkraft verloren, deren Chef Geert Wilders geht laut Umfragen als Vierter in die Wahl. Der Grund dafür, so der Politologe Andre Krouwel von der Universität Amsterdam: In Holland rede man jetzt nicht mehr den ganzen Tag über den Islam wie in den vergangenen zehn Jahren, sondern über die Krise und ihre Bewältigung. Das sei der Bevölkerung jetzt wichtiger als der Islam. Und die Rechtsliberalen hätten das schärfste Sparprogramm. Daher erwartet Krouwel auch, "dass wir zum ersten Mal seit 100 Jahren einen liberalen Kanzler bekommen werden in Holland".

Morgenjournal, 09.06.2010