Glawischnig dennoch optimistisch
Grüne: Experte sieht Reformbedarf
Die Grünen üben in letzter Zeit viel Selbstkritik - vor allem nach der Wahlschlappe im Burgenland. Politikexperten raten den Grünen zu mehr Kanten und strukturellen Reformen. Parteichefin Eva Glawischnig stimmt diesem Rat zum Teil zu. Sie sieht die Grünen aber weiter auf Wachstumskurs und gibt sich für die kommenden Wahlen in Wien und der Steiermark optimistisch.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 09.06.2010
Versäumnisse in der Vergangenheit
Glawischnig versucht, einem Bedeutungsverlust der Partei gegenzusteuern: Sie übt öffentliche Selbstkritik, auch Kritik an den regionalen Organisationen der Partei, und sagt, dass sich etwas ändern muss - so müssten schlagkräftige Strukturen in den Bundesländern aufgebaut werden. Richtig, aber ein bisschen spät, meint dazu Politikberater Thomas Hofer: "Das hätten die Grünen schon wissen müssen, seit es das Liberale Forum nicht mehr gibt. Den Todesstoß hat den Liberalen die mangelnde Struktur vor Ort versetzt." Da hätte in den vergangenen Jahren etwas an der Basis passieren müssen, was aber nicht geschehen sei, so Hofer.
"Inszenierungsfähigkeit verloren"
Die Grünen haben zuletzt stark auf Bundesebene gearbeitet, sich da aber abgeschottet und in geschlossenen Zirkeln Schreibtisch-Politik betrieben. Dass das innere Feuer verlorengegangen sei, monieren wiederholt Altvordere wie etwa Freda Meissner-Blau oder Johannes Voggenhuber. Doch kann man mit den Rezepten aus den 1980er-Jahren wie Bürgerinitiativen-Aktionismus Politik 2010 machen? Thomas Hofer gibt den Kritiker zum Teil recht: "Es ist den Grünen einiges an Inszenierungsfähigkeit verloren gegangen."
Internet und Kernthemen
Die Grünen würden auch zu wenig auf soziale Netzwerke im Internet zurückgreifen, so Hofer. Denn die am meisten grün-empfängliche Bevölkerungsgruppe, die Jungen, würden so liegen gelassen. Und das ursprüngliche grüne Kernthema, die Umwelt, habe man zu wenig beackert und anderen Parteien überlassen. Keiner wisse im Moment so richtig, wofür die Grünen eigentlich stehen.
Kabarettisten als Spitzenkandidaten
Zumindest seltsames Personalmanagement kommt dazu. Im Burgenland fand sich plötzlich ein früherer Pressesprecher an der Spitze der Liste wieder - mit enden wollendem Erfolg. In der Steiermark machte man zuerst einen Kabarettisten zum Spitzenkandidaten. Erst als dieser selbst das Handtuch warf, sprang der Landesvorsitzende und tatsächliche Politprofi Werner Kogler in die Bresche.
Kampagnisieren und Altbewährte einsetzen
Doch in der Steiermark wie in Wien werden es die Grünen schwer haben, in den Kämpfen zwischen SPÖ und ÖVP bzw. SPÖ und FPÖ zu bestehen, ja überhaupt aufzufallen. Der Ratschlag von Politikberater Hofer: "Fünf bis sieben Themen suchen, die zugespitzt formulieren und dann kampagnisieren." Für Wien rät Thomas Hofer, die altgedienten Alexander van der Bellen und Christoph Chorherr prominent einzusetzen, sie könnten jedenfalls der ÖVP einiges an Stimmen wegnehmen.
15 Prozent als Ziel
Die Parteichefin sieht die Grünen trotz aller Selbstkritik auf Erfolgskurs. Sie hätten sich in den letzten Jahren von einer Vier-Prozent-Partei zu einer Zehn-bis-Elf-Prozent-Partei entwickelt. Und bei der nächsten Nationalratswahl peile sie 15 Prozent an, so Eva Glawischnig im Ö1-Morgenjournal.
"15 Prozent bei nächster Nationalratswahl"
Grünen-Chefin Eva Glawischnig im Morgenjournal-Gespräch mit
"Rot-Grün" in Wien
Im Wiener Wahlkampf werde Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen eine Rolle spielen und die Wiener gemeinsam mit Spitzenkandidatin Maria Vassilakou "hoffentlich" von einem "rot-grünen Projekt" überzeugen.
Kampf gegen Strukturprobleme
Glawischnig gibt aber "strukturelle Schwächen" in gewissen Regionen zu, nicht nur im Burgenland, sondern auch in Teilen der Steiermark und in Oberkärnten. "Die sind ein echtes Problem für die Grünen", und die Bundespartei werde dort künftig die Ortsgruppen unterstützen.
Gute Ausgangsposition
Die Grünen hätten in letzter Zeit versucht, kantiger und angriffiger zu sein, und das sei auch zum Teil gelungen. Mit Umweltthemen wie dem Ausstieg aus dem Erdöl durchzukommen, das sei die große Herausforderung, die gelingen müssen. Glawischnig gibt sich überzeugt, dass die Grünen bei den anstehenden Wahlen mit Maria Vassilakou in Wien und Werner Kogler der Steiermark eine gute Ausgangsposition hätten.