Einschränkung der Pressefreiheit

Abhörgesetz in Italien

In Italien soll heute das umstrittene Gesetz über Telefonabhörungen im Senat beschlossen werden. Wochenlang haben vor allem Journalisten und Staatsanwälte gegen das sogenannte Knebel-Gesetz protestiert, weil die Ermittlungen und auch die Berichterstattung darüber erschweren wird.

Mittagsjournal 09.06.2010

Knebel-Gesetz

Die Regierung Berlusconi hat jetzt kleinere Kompromisse angeboten, im Wesentlichen soll aber das Abhören von Telefonaten erschwert werden. Knebel-Gesetz, allein mit dieser Bezeichnung haben die Gegner Silvio Berlusconis klar gemacht, was sie von den neuen Regelungen halten: nämlich nichts.

Warnung der italienischen Zeitungen

Und die Auswirkungen des neuen Gesetzes werden seit Wochen in zahlreichen italienischen Tageszeitungen plakativ ausgeschildert. Achtung! Mit dem Knebelgesetz könnten sie diesen Artikel nicht mehr lesen - diese Warnung ziert an manchen Tagen gleich mehrere Artikel italienischer Zeitungen.

Zitieren aus Ermittlungsakten verboten

Tatsächlich hätte niemand etwas von den Schwarzgeldzahlungen des Industrieministers beim zwielichtigen Kauf einer Wohnung erfahren, wenn das neue Abhörgesetz schon in Kraft wäre. Das Zitieren aus Ermittlungsakten ist demnach verboten.

Skandale werden verschwiegen

Für den Industrieminister kommt das Gesetz allerdings zu spät, er musste wegen der Schwarzgeldaffäre zurücktreten. Auch der milliardenschwere Mehrwertsteuerbetrug eines Telekom-Unternehmens wäre mit dem neuen Gesetz nicht publik geworden. Und viele andere Schweinereien würden - möglicherweise für immer - in den Aktenstapeln der Justiz liegen bleiben.

Sturm der Entrüstung in Italien

Der erste Entwurf des Knebelgesetzes hat einen Sturm der Entrüstung in Italien ausgelöst. Die Jagd auf die Mafia werde damit erschwert, klagten die Staatsanwälte. Die Pressefreiheit werde beschnitten, klagten Journalisten und Verleger. Selbst Chefredakteure der Berlusconi-Zeitungen unterschrieben einen Protest gegen das Gesetz.

Angedrohte Haftstrafen gestrichen

Dieser breite Protest hat etwas Wirkung gezeigt, der Entwurf, der heute im Senat zur Abstimmung kommt, weist tatsächlich kleinere Änderungen auf. Die angedrohten Haftstrafen für Journalisten, die aus Abhörakten zitieren, wurden gestrichen, aber die Geldstrafen für Verleger erhöht. Telefonabhörungen, die derzeit bis zu 12 Monate dauern dürfen, werden auf 75 Tage beschränkt.

Berlusconi will Staatsanwälte treffen

Ganz im Sinne Silvio Berlusconis, der gestern wieder einmal deutlich machte, wen er mit dem neuen Gesetz treffen möchte: die Staatsanwälte, die seiner Meinung nach die uneingeschränkten Machthaber in Italien sind.

Journalisten auch im Visier

Dass dabei auch die Journalisten an die Kandare kommen, erfüllt den Regierungschef auch mit Genugtuung. Immerhin waren auch schon abgehörte Telefonate Berlusconis in zahlreichen Zeitungen nachzulesen. Amouröse Abenteuer des Cavalieres oder der Rauswurf von unliebsamen Journalisten sind so publik geworden.

Knebel-Abstimmung für Knebel-Gesetz

Änderungen am aktuellen Entwurf des Abhörgesetzes soll es keine mehr geben, das hat die Regierung heute klargemacht. Außerdem soll die Abstimmung über das Abhör-Gesetz mit einer Vertrauensabstimmung über die Regierung verbunden werden. Damit will die Regierung zweifelnde Abgeordnete in den eigenen Reihen disziplinieren. Das sogenannte Knebel-Gesetz wird somit - standesgemäß - per Knebel-Abstimmung verabschiedet.