Italiens Medien auf den Barrikaden

Aufregung um neues Abhörgesetz

In Italien sorgt ein Gesetzesentwurf über Telefonabhörungen für Unmut und Kritik in der Medienbranche. Der Entwurf sieht Einschränkungen und Haftstrafen für Journalisten vor, wenn sie zu früh über Abhörungen berichten.

Journalisten und Zeitungsherausgeber machen sich jetzt noch mehr um Sorgen um die Pressefreiheit. Das neue Gesetz soll schon in den nächsten Tagen im Parlament verabschiedet werden, Kritiker versuchen, noch im letzten Moment Abänderungen durchzusetzen.

Mittagsjournal, 26.05.2010

Auch Berlusconi abgehört

In Italien surren jeden Tag tausende interessante Geschichten durch den Äther. Gespräche mit Mobiltelefonen, geführt von unbescholtenen Bürgern, aber auch von kriminellen Mafiosi. Es plaudern arglose Politiker, aber auch korrupte Volksvertreter. Kein Wunder, dass man beim Abhören von Telefonaten hier reiche Beute machen kann. Mitunter erwischt es sogar die Prominentesten der Prominenten bei peinlichen Gesprächen, wie die Staatsanwälte im süditalienischen Trani vor wenigen Monaten erfahren mussten.

Die Fahnder hörten damals wegen Kreditkarten-Manipulationen Telefonate ab - und - wie es der Teufel haben will - ist Regierungschef Silvio Berlusconi in der Leitung, als er gerade bei Managern der RAI die Entfernung eines missliebigen Moderators bestellt. Darüber ist auch ausgiebig berichtet worden - mit dem neuen Gesetz wäre das nicht mehr möglich. Demnach drohen Journalisten zwei Monate Haft, wenn sie Dokumente über Ermittlungen veröffentlichen, bevor die ganze Angelegenheit vor Gericht verhandelt wird. Auch Herausgeber müssen Haft- und Geldstrafen in beträchtlicher Höhe fürchten.

120.000 Abhörungen im Vorjahr

Aber auch die Ermittler selbst müssen mir Einschränkungen rechnen. Nur bei Delikten mit potenziellen Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren sollen künftig Abhörungen erlaubt werden. Allein im letzten Jahr sind in Italien mehr als 120.000 Telefongespräche abgehört worden, viel zu viele, wie der Justizminister meint, denn oft verfangen sich unbescholtene Bürger im Abhörnetz der Polizei und - wenn sie Pech haben - in der anschließenden Berichterstattung darüber in den Medien.

Zweifelhafte Methoden

In der Tat ist die Balance zwischen effektiven Ermittlungsmethoden und bürgerlichen Grundrechten in Italien besonders schmal. Das wörtliche Zitieren von abgehörten Gesprächen oder das Senden dieser aufgezeichneten Gespräche in Radio und im Fernsehen ist weit verbreitet und gehört sozusagen zum Standard des italienischen investigativen Journalismus.

Die Grenze zum menschenverachtenden Paparazzo-Journalismus ist dabei fließend. Auf der anderen Seite wäre ein halbwegs effizienter Kampf gegen die Mafia unmöglich, wenn sich die Ermittler auf rechtsstaatliche Standards, wie sie in Deutschland oder Österreich gelten, zurückziehen müssten.

Heftige Debatten losgetreten

Kein Wunder also, dass bereits 40.000 Staatsanwälte, Richter und andere Juristen einen Appell an die oberste Datenschutzbehörde gerichtet haben, wonach Abhörungen nicht eingeschränkt werden sollten. Und auch Medienvertreter und besorgte Bürger haben einen Appell gegen das geplante Gesetz unterzeichnet - die Debatte darüber soll in den nächsten Tagen im Parlament eröffnet werden - und darüber dürfen Journalisten noch straffrei berichten, auch wenn so manche Wortmeldung im Plenum das Zeug dazu hat, gerichtsanhängig zu werden.