Steuersystem trotzt der Krise
Wahlen im Wirtschaftswunderland Slowakei
In der Slowakei finden am Samstag Parlamentswahlen statt: die Prognosen sehen einen Wahlsieg für Premierminister Robert Fico und seine sozialdemokratische SMER-Partei. Anders als viele Staaten in Europa hat die Slowakei die Wirtschaftskrise gut überstanden, zu verdanken ist das nicht zuletzt dem slowakischen Steuersystem.
8. April 2017, 21:58
Die Slowakei hat nach Einbußen im vergangenen Krisenjahr mittlerweile das höchste Wirtschaftswachstum innerhalb der Europäischen Union zu verzeichnen. Von bis zu plus 4 Prozent ist die Rede.
Mittagsjournal, 11.06.2010
Menschen optimistisch
Trencin - eine 50.000 Einwohnerstadt, etwa eine Autostunde östlich der Hauptstadt Bratislava. Während des Kommunismus war Trencin Textilstadt, nach der Wende wurde die Region wirtschaftlich völlig umgekrempelt, viele ausländische Investoren zogen hierher. Innerhalb kürzester Zeit etablierte sich Trencin als zweitwichtigste Wirtschaftsregion des Landes, gleich nach Bratislava.
Die Menschen hier sind prinzipiell optimistisch. Die einen sagen, Wirtschaftskrise? Ja, ich habe sie schon bemerkt, erzählt uns ein Mann auf dem Hauptplatz. Er verkaufe Feuerschutzeinrichtungen, 10 Prozent weniger Kunden habe er. Aber das sei nicht so schlimm. Er spüre, dass es wieder aufwärts gehe. Von der Krise merke sie persönlich nichts, so eine junge Frau im Café. Als Bauingenieurin habe sie genug Aufträge. Aber natürlich werde ihre Branche auch von den EU-Strukturfonds unterstützt, fügt sie hinzu.
Aus der Krise schnell gelernt
Obwohl ganz so unberührt von der Krise ist man in Trencin natürlich nicht. Auch hier ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, sagt Michal Sandraj, Prokurist der Firma Gleitstein Slovakia. Das deutsche Traditionsunternehmen Gleitstein, Spezialist für Seile, lässt hier im ehemaligen kommunistischen Industriepark seit 13 Jahren produzieren. "Natürlich spüren auch wir einen Rückgang", sagt Michal Sandrej: "Aber die Krise hat auch ihre positive Seite. Wir haben gelernt effizienter zu arbeiten. Und das wird auch in der Mutterzentrale in Deutschland goutiert, die die Zuverlässigkeit und die Qualität der slowakischen Arbeiter schätzen."
Genau das ist sicherlich eines der großen Atouts der slowakischen Wirtschaft, so der Wirtschaftsjournalist Martin Jesny in Bratislava. "Wir haben in der Slowakei hochqualifiziertes Personal in allen industriellen und handwerklichen Bereichen. Was die Slowakei aber besonders attraktiv für Investoren macht, das ist das transparente und einfache Steuersystem. Wir haben eine Flattax von 19 Prozent für alle."
Flexible Arbeitskräfte
Mitten in der weltweiten Krise haben hier in der Slowakei die Elektronikriesen Samsung und Sony große Werke eröffnet. Attraktiv ist aber auch, die extrem hohe Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, so Martin Jesny: "Bei uns wurde in der Krise ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, d.h. bei schlechter Auftragslage arbeitet der Mitarbeiter weniger bei gleicher Bezahlung, diese Stunden werden als Gutstunden auf ein Konto geschrieben und bei Hochkonjunktur wird dann mehr gearbeitet, aber eben nicht auf Überstunden. Das hat sich sehr bewährt."
Aber es gibt auch ein großes Manko: die fehlende Infrastruktur im Land. Die guten Wirtschaftsdaten sind daher auf den Westen der Slowakei beschränkt, noch immer gibt es keine Autobahnen in den Osten, Investoren sind daher dort rar.
Abhängig von Westeuropa
Trotzdem konnte die Slowakei in den ersten Monaten dieses Jahres ein äußerst beeindruckendes Wirtschaftswachstum von bis zu 4 Prozent aufweisen. Das sei vor allem auf die Entwicklung in Westeuropa zurückzuführen, sagt der Wirtschaftsexperte Andrej Glezl: "Wir hängen extrem stark von den westeuropäischen Märkten ab, sodass kleinste Veränderungen dort schon große Wirkungen bei uns zeigen. Besonders betrifft das die Autoindustrie. 40 Prozent der slowakischen Wirtschaft ist im Autozulieferbereich. Wenn nun ein großes Land wie Deutschland ein minimales Plus macht, dann hat das bei uns gleich große Auswirkungen."
Euro-Einführung gemahnte zum Sparen
Als sehr positiv hat sich sicherlich auch die Euro-Einführung 2009 erwiesen. Die Regierungen hatten jahrelang eine rigorose Budgetpolitik durchgezogen. Erst im Vorjahr wurden wieder größere Schulden gemacht. Das muss sich wieder ändern, wenn die slowakische Wirtschaft als ganzes stabil bleiben will, so Andrej Glezl. Die neue Regierung, wie auch immer sie aussehen wird, müsse auf jeden Fall wieder eine strenge Budgetpolitik durchziehen.