Inszenierung von Peter Stein
Wiener Festwochen zeigen Bergs "Lulu"
Im Theater an der Wien hat am Freitag, 11. Juni 2010 die zweite und letzte Opernproduktion der diesjährigen Wiener Festwochen Premiere: Zum doppelten Alban-Berg-Gedenken - 125. Geburtstag und 50. Todestag - ist seine Oper "Lulu" zu erleben.
26. April 2017, 12:23
Mittagsjournal, 11.06.2010
Die Inszenierung von Peter Stein ist allerdings nicht für die Festwochen entstanden, sondern war zuvor schon in Mailand und Lyon umjubelt.
Eine schöne, wilde Zerstörerin
Lobeshymnen eines großen Abends eilen dieser Produktion voraus - von einer kongenialen Umsetzung des Aufstieg und Untergangs der schönen, wilden Zerstörerin Lulu war zu lesen, und das durch einen der ganz großen Theaterregisseure unseres Jahrhunderts.
Der wird allerdings wieder einmal seinem Ruf als schwieriger Künstler gerecht und distanzierte sich ganz offiziell von der Wiener Aufführung. Einige Sänger seien ausgewechselt worden, Orchester und Dirigent seien nicht die gleichen wie in Lyon. Peter Steins Assistent wurde zu den Wiederaufnahmeproben nach Wien abkommandiert - was der Produktion allerdings keinen Abbruch tun soll.
Stein war zunächst skeptisch
Laura Aikin in der Titelpartie ist wie die Sänger der meisten anderen Rollen gleich geblieben. Es ist ihre fünfte "Lulu"-Produktion und auch sie musste sich die Zuneigung des Meisters erst erarbeiten: "Er hat mich am Anfang überhaupt nicht gewollt - ich wäre zu alt für ihn. Er wollte eine ganz junge. Er war zuerst ganz böse. Aber dann hab ich ihn herumgekriegt. Das hat ungefähr zwei Wochen gedauert und er hat gesagt: Ich habe einen riesigen Fehler gemacht, sie sind meine richtige Lulu. Wir haben diese Inszenierung wirklich zusammen entwickelt. Dass er an der Scala und hier nicht sein konnte, das machte nichts, weil das saß in uns allen so tief drin. Wir bringen sehr gern seine Arbeit weiter."
Und so zeigen Peter Stein und Laura Aikin nicht das junge, wilde Tier, sondern ein Psychogramm - und zwar nicht nur eines der jungen Frau, die Tod und Elend in das Leben ihrer Lebenspartner bringt, sondern ein Psychogramm ihres gesamten Umfelds und der sie umgebenden Gesellschaft.
Und so wird der soziale Auf- und Abstieg einer jungen Frau, die als Prostituierte endet und von ihrem letzten Liebhaber (Jack the Ripper) ermordet wird, zum Sittenbild der gesamten Gesellschaft.
Von Friedrich Cerha komplettiert
Alban Berg hat seine Oper nicht zu Ende instrumentiert: Jahrelang wurde sie zweiaktig aufgeführt, bis Friedrich Cerha den dritten Akt komplettierte.
Diese Version setzt sich international immer mehr durch und ist auch in Wien zu hören. Zu Recht, meint Daniele Gatti, der im Theater an der Wien das Mahler Chamber Orchestra leitet: "Ich liebe diese dreiaktige Version. Cerha hat ein phantastisches Werk gemacht. Mit diesem dritten Akt ist das Werk komplett und es gibt einen Bogen. Die zweiaktige Version ist unbefriedigend."
Textfassung: Rainer Elstner
Service
Alban Berg, "Lulu", 11., 14. und 18. Juni 2010, Theater an der Wien
Wiener Festwochen
mica - "Lulu" von Alan Berg in der kompletten Fassung von Friedrich Cerha