Linkswende der SPÖ als Voraussetzung

Faymann mit knapp 94 Prozent bestätigt

Der Linksrutsch hat sich ausgezahlt. Werner Faymann ist am Samstag vom Parteitag in Vösendorf deutlich gestärkt worden. Zwar erreichte er nicht die 98,4 Prozent von vor zwei Jahren in Linz - doch sind 93,8 Prozent mehr als beachtlich für einen Vorsitzenden, in dessen Ära fast ausschließlich Wahlniederlagen zu verzeichnen waren.

ÖVP: Freundschaftlicher Kurs zu Ende

Faymann, seit Mai ein halbes Jahrhundert alt, hat das gute Ergebnis wohl im Wesentlichen einem klaren inhaltlichen Schwenk zu verdanken. Hatte der Kanzler ursprünglich einen sehr konsensualen Kurs gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP eingeschlagen, hat er die Zügel in den letzten Monaten deutlich angezogen. Das "genug gestritten", mit dem Faymann die letzte Nationalratswahl gewann, gehört der Vergangenheit an. Der SPÖ-Chef zeigt Fahne, zuletzt als er bei der Junktimierung der ÖVP in Sachen Mindestsicherung/Transparenzdatenbank hart blieb. Zudem hielt Faymann zumindest bisher Kurs, was eine höhere Vermögensbesteuerung angeht.

Kehrtwende bei Vermögensbesteuerung

Dabei war diese Route ursprünglich nicht die seine. Dass er gerade bei der Vermögensbesteuerung voriges Jahr Vorstöße des steirischen Landeshauptmanns Franz Voves (SPÖ) gebremst hatte, wäre fast zum Boomerang geworden. Denn Voves wusste Basis und Gewerkschaft hinter sich. Doch zu Faymanns Stärken gehört Lernfähigkeit. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Alfred Gusenbauer (SPÖ) schafft er es, der Basis die Wünsche von den Lippen zu lesen. Ob dies im Fall der Vermögensbesteuerung ein Pyrrhussieg ist, wird sich erst zeigen, wenn die Budgetsanierung im Herbst durch ist. Gut möglich, dass einige, die ihm heute ihre Stimme gegeben habe, Faymann dann als Umfaller sehen, sollten die linken Parteitagstöne dann in der Realität keinen Widerhall finden.

Misserfolge bei Wahlen

Ein Freibrief ist das heutige Votum nämlich nicht. Faymann hat die Last einer seltenen Mißerfolgsserie seiner Partei auf den Schultern. Zwar konnte er der SPÖ kurz nach seiner Kür zum Chef Platz eins der Wählergunst sichern und auch die ÖVP in eine Koalition locken, doch das war es dann auch mit roten Freuden. Seit Faymann Regierungschef ist, eilen die Sozialdemokraten von Niederlage zu Niederlage mit peinlichen Tiefpunkten wie dem vierten Platz in Vorarlberg, dem Verlust von 14 Prozentpunkten in Oberösterreich und gerade einmal 23,7 Prozent bei der EU-Wahl. Und die Steiermark- und die Wien-Wahl stehen vor der Tür - ein Landeshauptmannsessel und eine Absolute Mehrheit drohen verloren zu gehen. In Zeiten wie diesen braucht die SPÖ Geschlossenheit, auch ein Grund für Faymanns heutiges Abschneiden.

Faymann: Kein Charismatiker

Eine weitere Ursache ist die Persönlichkeit des Kanzlers. Der ist zwar nicht unbedingt großer Ideologe, fantastischer Redner oder Charismatiker, jedoch einer, der sich wenige Feinde macht, ein Umschmeichler irgendwie, meinen viele - Typ: etwas in die Jahre gekommener Ideal-Schwiegersohn, immer ein Lächeln auf den Lippen, adrett gekleidet, das silbergraue Haar ordentlich frisiert.

Enge Clique um Faymann

Als Manko Faymanns gilt, dass er nur einem sehr kleinen Kreis vertraut. Sein Staatssekretär Josef Ostermayer gehört dazu, AK-Direktor Werner Muhm und nicht zuletzt Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas, die in der Partei nicht nur Freunde hat. Kritische Geister sehe der SPÖ-Chef nicht gerne um sich, sagt man Faymann nach. (Text: APA, Red.)