Letzte Premiere der Ära Holender

Staatsoper zeigt "Tannhäuser"

In der Wiener Staatsoper geht am Mittwoch, 16. Juni 2010 mit Wagners "Tannhäuser" nicht nur die letzte Premiere dieser Saison über die Bühne. Es wird die letzte Neuproduktion der Ära Holender sein, der nach 19 Jahren Alleinherrschaft den beiden Neuen - Dominique Meyer und Franz Welser-Möst - Platz macht.

Kulturjournal, 14.06.2010

Welser-Möst steht auch am Pult des Wiener Staatsopernorchesters, um den "Tannhäuser" zu dirigieren. Claus Guth hat inszeniert. In den Hauptpartien sind Johan Botha, Christian Gerhaher und Anja Kampe zu hören.

Tannhäuser im Hotel Orient

Ins Wien des 19. Jahrhunderts - zu Arthur Schnitzlers Zeit und Ästhetik - führt uns Regisseur Claus Guth mit seiner Inszenierung, um "Tannhäuser" dem heutigen Publikum greifbarer zu machen. So begrüßt die einst verlassene Elisabeth beispielsweise das Schwind-Foyer der Wiener Staatsoper als "ihre Halle", nachdem sich Tannhäuser im bekannten Wiener Etablissement Hotel Orient vergnügt hat und zum Schluss im Irrenhaus landet, denn zu verwischt waren für ihn von Beginn an die Grenzen zwischen Sein und Schein.

"Ich bin eigentlich über die Literatur von Arthur Schmitzer drauf gestoßen, wie um die Zeit 1900 in Wien sich drei Welten, die für mich den 'Tannhäuser' ausmachen, perfekt manifestieren. Das ist zum einen die repräsentative Welt, das ist bei uns dargestellt der zweite Akt im Schwind-Foyer und es gibt neben dieser offiziellen Welt die Sub-Welt, in der man sich aber auch inkognito bewegt - das ist bei uns das Hotel Orient in Wien. Und es gibt Steinhof, mit denselben geradezu repräsentativen und phantastischen architektonischen Otto-Wagner-Bauten, eine genauso dominante Welt außerhalb der Stadt hat, wie die repräsentative Welt innen drin", so Claus Guth.

Tannhäusers Parallelwelten

Darin sieht er auch die Grundproblematik des Stücks: Was hat die Welt drinnen mit der da draußen zu tun? Tannhäuser weiß es nicht und sucht sich Parallelwelten, die durch Doubles visualisiert werden. Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben.

"Ich bin der Welt einen 'Tannhäuser' schuldig", hatte Richard Wagner einmal gesagt und sich mit all den von ihm erstellten Fassungen unzufrieden gezeigt. Heute unterscheidet man vor allen die Pariser (mit der großen Ballettnummer), die bisher in Wien zu hören gewesen ist und die Dresdener Fassung, für die nun Franz Welser-Möst plädiert hat.

"Weil ich sie musikalisch wesentlich geschlossener und einheitlicher finde als die Pariser Fassung", so der Dirigent. "Da liegen sehr viele Jahre dazwischen, außerdem gibt es ja nicht nur diese zwei Fassungen. 'Tannhäuser' war immer ein Work in Progress für ihn. Aber ich finde diese Fassung stilistisch am geschlossensten."

Rollendebüts

Drei Rollendebüts stehen am Mittwoch ins Haus: Johan Botha, der den "Tannhäuser" nur einmal konzertant in der Pariser Fassung in Turin gesungen hat, Anja Kampe als Elisabeth und Michaela Schuster als Venus.

Es ist die letzte Produktion der Ära Holender. Dass Franz Welser-Möst am Pult des Staatsopernorchesters steht, vermittelt nicht nur den Eindruck eines zumindest in musikalischer Hinsicht fließenden Übergangs, sondern eigentlich auch, dass der Tannhäuser schon so etwas wie der Auftakt einer neuen Ära ist.

"Ich habe ja das unglaubliche Glück, durch die Umstände in diese Position hinein zu gleiten. Das hat man normalerweise nicht. Man hat dann einen Tag, wo man anfängt. Aber ich bin im Haus schon in so viele Dinge, was die Musik anbelangt, involviert, wie wenn ich das Amt eigentlich schon länger hätte. So gesehen ist es ein gleitender Übergang und ein ganz lustiges Gefühl, weil das hab' ich noch nie erlebt in meinem Leben", so Welser-Möst.

Bis zu Saisonende ist "Tannhäuser" vier Mal in der Wiener Staatsoper zu erleben und steht dann auch gleich als Eröffnungsabend der neuen Direktion am 5. September 2010 auf dem Programm.

Textfassung: Rainer Elstner

Service

Richard Wagner, "Tannhäuser", Mittwoch, 16. Juni 2010, 18:00 Uhr, Wiener Staatsoper

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