Nach Selbstmordwelle erhöht Foxconn die Löhne

Hungerlöhne in chinesischen Fabriken

In China wird wieder über Arbeitslöhne und Arbeitsbedingungen diskutiert. Vor allem die hunderttausenden Wanderarbeiter werden schlecht bezahlt und arbeiten oft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Ausgelöst wurde die Diskussion durch den Freitod von elf Mitarbeiter des weltgrößten Elektronik-Produzenten Foxconn aus Taiwan.

Mittagsjournal, 15.06.2010

Zuwenig zum Leben

Begonnen hat alles mit einer Serie von Selbstmorden bei Foxconn, einem zum taiwanesischen Hon Hai Konzern gehörenden High-Tech-Unternehmen mit 400.000 Mitarbeitern. Seit Anfang des Jahres bis Ende Mai haben elf Mitarbeiter den Freitod gewählt. Die meisten waren Wanderarbeiter. Es heißt, sie taten es aus Verzweiflung über die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne, zu wenig um zu leben und vor allem zu wenig, um ihre Familien zu unterstützen.

Monatslohn: 40 Euro

Dass bei Foxconn bestehende Arbeitsgesetze nicht eingehalten werden und auch sonst schwere Missstände herrschen, ist nicht erst seit kurzem bekannt. Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden täglich, unbezahlte Überstunden. Und das mit einem Monatslohn von umgerechnet 40 Euro, die Hälfte des in China festgelegen Mindestlohns von 80 Euro. Auch der psychische Druck lastet auf den Arbeitern: festgelegte Zeiten für den Toilettengang, Sprechverbote, Diffamierungen, arbeiten auf engstem Raum und ein Verbot, das Firmengelände ohne besondere Erlaubnis zu verlassen.

Akzeptanz oder Arbeitlosigkeit

Verhältnisse, die nicht nur bei Foxconn in der südchinesischen Wirtschafts-Sonderzone der Provinz Shenzhen herrschen. Es ist bei vielen anderen Unternehmen ebenso oft der Alltag. Den vielen Millionen Wanderarbeitern, die während der Wirtschaftskrise über Nacht ihre Jobs verloren haben und jetzt bei guter Konjunktur wieder eine Stelle gefunden haben, bleibt zumeist nichts anderes übrig als alles zu akzeptieren.

Foxconn: Höhere Löhne angekündigt

Offiziell bestätigt werden die Arbeitsbedingungen freilich nicht, die Unternehmen arbeiten nach außen hin streng abgeschirmt. Seit Foxconn ist das anders. Das Unternehmen sah sich gezwungen, die Löhne zunächst um 30 Prozent zu erhöhen, nun wurde eine weitere Erhöhung angekündigt. Ab Anfang nächsten Jahres sollen die Arbeiter sogar 1.200 Yuan verdienen, umgerechnet 143 Euro.

Streiks in chinesischen Fabriken

Andere Arbeitnehmer, die vorwiegend für das Ausland arbeiten, zuletzt der Autobauer Honda, haben sich solidarisch erklärt und mit Streiks selbst eine Lohnerhöhung erzwungen. Auch in anderen Fabriken gärt es, angesichts der Weltausstellung in Shanghai, bei der sich China von seiner besten Seite zeigen will, ist das aber offiziell kein Thema. Der Foxconn-Chef Terry Gou, einst als visionärer Unternehmer gefeiert, hat allerdings auch diesmal seine Entscheidung wohl überlegt, und das nicht zum Nachteil seines Konzerns.

Verschiebung der Produktionsorte

Höhere Löhne zwingen zwar ausländische Investoren, ihre Produktion in andere Billiglohnländer zu verlagern, beispielsweise nach Indien, Vietnam oder Indonesien. Die taiwanesischen Unternehmen, die selbst die meisten Fabriken in China betreiben, können damit rechnen, dass die Produktion wieder ins eigene Land zurück kommt. Das bringt Arbeitsplätze und verringert die hohe Arbeitslosigkeit von zuletzt fünf Prozent. Das ist unvorstellbar hoch für ein Land, das Jahrzehnte lang dieses Problem nicht gekannt hat.

Chinesische Unternehmen müssen handeln

Noch etwas spricht für die Lohnerhöhung: höhere Einkommen erhöhen die Kaufkraft im eigenen Land, und das sind in China mehr als eine Milliarde Menschen. Selbst wenn China seinen Ruf als Billiglohnland verliert, wirtschaftlich bleibt also alles zumindest für die internationalen Konzerne beim Besten. Was ausländische Investoren wie Foxconn jetzt vormachen, zwingt allerdings auch die chinesischen staatseigenen Unternehmen zum handeln.

"Spirale ausgelöst"

Nach unbestätigten, bisher aber meist verlässlichen Meldungen denken auch die von der kommunistischen Partei dominierten chinesischen Gewerkschaften über Lohnerhöhungen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nach. Das ist auch notwendig, will man Arbeitskräfte, die jetzt wieder dringend benötigt werden, nicht an besserzahlende Produzenten verlieren. Damit wurde eine Spirale ausgelöst, die laut namhaften Wirtschaftsexperten in Asien, kaum noch aufzuhalten sein wird.