Tradition und Experiment

Martin Lichtfuss

In Nuce

Wechselnde Metrik, Motorik, rhythmische Energie überhaupt bilden seit jeher ganz wichtige Triebfedern meines kompositorischen Denkens - ebenso wie melodische und harmonische Bindungen, wie sie die Musik seit dem Mittelalter bestimmen. Auch wenn - oder vielleicht gerade weil - diese Kategorien in der Kunstmusik nach 1950 einem generellen Wertewandel häufig zum Opfer gefallen sind, halte ich an ihnen fest, weil ich überzeugt bin, dass über längere Zeit auf diese zentralen Gestaltungsebenen nicht verzichtet werden kann.

Trotz des Bekenntnisses zu Rhythmik, Harmonik und Melodik bleiben aktuelle Ausdrucksmittel wie die Erforschung neuer Klangräume für mich gleichermaßen faszinierend, und um die Verbindung traditioneller kompositorischer Kategorien mit experimentellen Möglichkeiten war ich immer bemüht. "In Nuce" berichtet von der Schwierigkeit, gegensätzliche kompositorische Standpunkte miteinander in Beziehung zu setzen, und verdichtet zwei konträre musikalische Perspektiven auf engstem Raum.