Ein immer schneller werdender Musikwirbel
Gunter Schneider
20. Jänner 2011, 16:49
auf den punkt
Analoge Tonbandgeräte faszinierten mich unter anderem, weil man ihre Tonbänder und damit die darauf gespeicherten Informationen in verschiedenen Geschwindigkeiten und Oktavierungen abspielen konnte. Doppelt so schnell ist doppelt so hoch, halb so schnell ist eine Oktave tiefer. Während meines Studiums erzählte mir ein Freund, ich denke, es war Gerhard Crepaz, dass man ein Stück Musik nur oft genug im doppelten Tempo abspielen und wieder aufnehmen müsse, bis es auf einen Punkt, d.h. Knall, zusammenschrumpfe. Eine Sinfonie von Beethoven in einem Knack - auch umgekehrt aus jedem Fingerschnipsen eine ganze Sinfonie?
Mein Stück für das RSO ist so konzipiert: das Orchester spielt ein kurzes Stück, 20 Sekunden lang. Dieses wird dann - maschinell - mehrfach zeitlich auf die Hälfte komprimiert und oktaviert. Aus 20 Sekunden werden 10; dann 5; dann 2,5; dann 1,25; dann 0,625 Sekunden. Die zwölfte Generation ist schon weniger als eine Hundertstelsekunde lang, das reicht im Normalfall für einen Weltcupsieg. Ein grenzwertiges Vorhaben, das Stück nähert sich der gewünschten Gesamtdauer von 40 Sekunden an, ohne diese je ganz zu erreichen. In einem immer schneller werdenden Strudel wirbelt die Musik nach oben - und verpufft - wirklich eine flüchtige Kunst.
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mica - Gunter Schneider
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