Spielfilm über Mexikos Bandenkriminalität

Sin Nombre

Die Bandenkriminalität in Mexiko ist verheerend. Seit 2006 fielen dem Drogenkrieg fast 23.000 Menschen zum Opfer. Der Spielfilm "Sin Nombre", der am Freitag, 2. Juli 2010 in den österreichischen Kinos anläuft, zeigt das Leben innerhalb einer der berüchtigsten Banden Mexikos.

Mittagsjournal, 02.07.2010

Regiedebütant Cary Fukunaga hat für seinen Film direkt im Bandenmilieu recherchiert. Ein riskantes Unterfangen, wurde letztes Jahr doch ein Filmemacher, der eine Dokumentation über eine der Banden gedreht hat, brutal ermordet.

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ORF.at - Flucht vor härtester Gang der Welt

Sin Nombre

Teenager als Fußsoldaten

Gewalt gehört zum Alltag der Mara Salvatrucha, die mit ihren knapp 100.000 Mitgliedern als eine der größten und gefährlichsten Gangs der Welt gilt. Ihr Einflussbereich erstreckt sich über fast den gesamten mittelamerikanischen Raum, aber auch weit in die Vereinigten Staaten hinein. Die Mara ist streng militärisch organisiert und holt sich ihre Fußsoldaten, 13- bis 17-jährige Jugendliche von der Straße. Einer von ihnen ist der Protagonist in Sin Nombre, Caspar, der wegen eines Rendezvous seiner Aufgabe nicht nachgekommen ist.

Regisseur Cary Fukunaga zeigt das Innenleben der Cliquen, ihre Erkennungszeichen und Rituale. Wer der Mara beitreten will, wird etwa 13 Sekunden verprügelt und muss dann noch als Zeichen seiner Loyalität, einen Feind umbringen. Ein Ausstieg aus der Gruppe ist unmöglich. Als Grundlage für sein Drehbuch verwendete Fukunaga keine Fachliteratur, sondern überzeugte sich vor Ort von den Verhältnissen.

"Ich interviewte Gangmitglieder, die im Gefängnis saßen, Sicherheitskräfte und Polizisten und durchstreifte die Bandenreviere. Und nach eineinhalb Jahren Recherche fand ich zwei Männer, die schließlich zu meinen wichtigsten Kontaktpersonen wurden", erzählt Fukunaga. "Der eine war bereits ausgestiegen, aber der andere war noch aktiv und außerdem ein Anführer. Ich gewann sein Vertrauen und konnte mit seiner Hilfe am Bandenleben in Tapachula teilnehmen, also dort, wo der Film auch spielt."

Flüchtlingselend aus nächster Nähe

Caspar wendet sich schließlich gegen seinen Anführer und schließt sich einer Gruppe von Flüchtlingen an, die versteckt auf einem Zugdach versuchen, bis zur amerikanischen Grenze zu kommen. Dabei trifft er die junge Honduranerin Sayra.

Auch das Flüchtlingselend hat Regisseur Fukunaga aus nächster Nähe erlebt. So verbrachte er selbst mit einer Gruppe Honduranern 27 Stunden auf einem Zugdach und wurde dort Zeuge eines Bandenüberfalls.

So brutal "Sin Nombre" vielerorts erscheint, finden sich darin, und das war Regisseur Fukunaga wichtig, keine Übertreibungen: "Ich habe den Film früheren Gangmitgliedern gezeigt und die fanden die Darstellung authentisch. Für sie waren die Verhältnisse weder beschönigt noch dramatisiert, sondern entsprachen einfach der Realität."

Verschärfung der Grenzüberwachung

Der Film endet am Tor zum gelobten Land, an einem kleinen Fluss, der die Grenze zur USA bildet. Die hat übrigens erst letzte Woche eine Verschärfung ihrer Grenzüberwachung beschlossen. Ein möglicherweise fataler Schritt, gilt die Mara doch als Auffangbecken für gescheiterte Flüchtlinge. Lateinamerikaexperten sehen deshalb in einer kontrollierten Zuwanderung in die USA die einzige Möglichkeit, um der Kriminalität in Mittelamerika Herr zu werden.