Kaczynski schloss zu Komorowski auf

Polen: Präsidentenwahl wird knapp

Am Sonntag findet in Polen die Präsidentenstichwahl statt. Und es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Sah es noch vor wenigen Wochen ganz nach einem eindeutigen Sieg von Bronislaw Komorowski aus, so konnte Jaroslaw Kaczynski in den Umfragen nun deutlich aufholen. Wichtig für den Wahlausgang wird die Wahlbeteiligung sein.

Mittagsjournal, 02.07.2010

Überraschende Aufholjagd

Einander gegenüber stehen Bronislaw Komorowski, der Kandidat der regierenden liberal-konservativen Bürgerplattform, und Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski und Chef der nationalkonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit. Und kaum jemand hätte sich vor wenigen Wochen gedacht, dass dieser Wahlkampf noch so spannend würde. Der Flugzeugabsturz von Smolensk, bei dem Präsident Lech Kaczynski ums Leben kam - ein Land in Trauer - Man stellte sich auf einen ruhigen, pietätvollen Wahlkampf ein, der Sieger schien schon festzustehen, nämlich Bronislaw Komorowski. Doch je näher nun der Wahltag rückt, desto größer werden die Zweifel an einem Sieg von Komorowski.

Imagewandel Kaczynskis

Es steht nun 50 zu 50, meint der Politikwissenschaftler Wawrzyniec Konarski.
Der Grund dafür: Kaczynskis effektvoller politischer Wandel in den letzten Wochen: "Die Tatsache, dass Jaroslaw Kaczynski sein politisches Image in den letzten Wochen so radikal geändert hat, vom Hardliner zu einem besonnenen Politiker, hat die Menschen einerseits überrascht und ihm großen Zuspruch außerhalb seiner Anhängerschaft gebracht. Er hat einfach eine sehr interessante Strategie eingeschlagen - eine Politik des Schweigens verfolgt - er war zurückhaltend im Hintergrund. Und das hat sich für ihn bisher ausgezahlt.

Komorowski mangelt es an Charisma

Hinzu kommt: Kaczynski konnte die Staatstrauer nach dem Unglück von Smolensk, mit all ihrer Symbolik, vor allem das Begräbnis des Präsidentenehepaares auf dem Wawel, geschickt für sich ausschlachten. Viele sehen ihn Jaroslaw Kaczynski den legitimen Nachfolge seines verstorbenen Zwillingsbruders, bei anderen funktioniert der Mitleidseffekt. Der bisherige Favorit Bronislaw Komorowski hat sich in dem Wahlkampf als vielfach überfordert erwiesen, meint Konarski: "Das Problem von Komorowski - er ist natürlich ein moderater, konservativ-liberaler und stabiler Politiker. Aber er ist ohne politische Eigenständigkeit, er wird vor allem Erfüllungsgehilfe von Premier Donald Tusk gesehen. Und dann musste er in den letzten Wochen drei verschiedene Rollen erfüllen: die des Interimspräsidenten, die des Parlamentspräsidenten und die Rolle des Präsidentschaftskandidaten. Das konnte er, der so gar kein Charisma hat, nur unzureichend erfüllen."

Von Konzilianz zu Konturenverlust

Komorowski schaffte es außerdem nicht, sich genug von Kaczynski abzugrenzen. Komorowskis Atout war bisher immer, dass er ist ein konzilianter Politiker ist, der auf Zusammenarbeit setzt. Doch diese Strategie hat ihm Kaczynski auf einmal sozusagen aus der Hand genommen. Komorowski fiel nichts anderes ein, als sich als noch moderater zu präsentieren, was zu einer gewissen Konturenlosigkeit führte, meint der Politologe Jacek Kucharczyk: "Das Problem von Komorowski ist, daß viele Wähler gar keinen Unterschied mehr zwischen ihm und Kaczynski sehen. Und sich daher fragen, warum sie überhaupt zur Wahl gehen sollen. Kaczynski hingegen kann auf seine starke Fangemeinde zählen, die auf jeden Fall zu den Wahlen gehen wird und hat dazu noch die Chance Unentschlossene zu gewinnen, die sich vom neuen Image Kaczynskis überzeugen ließen."

Wähler auf Urlaub?

Die große Frage für den kommenden Sonntag ist, wer von beiden, Kaczynski oder Komorowski, seine Wähler besser mobilisieren kann: "Die Wahlbeteiligung wird ein entscheidender Faktor sein. Die typischen Komorowski-Wähler sind nicht so disziplinierte Wähler. Hinzu kommt: es ist Ferienzeit, Komorowski-Wähler sind eher mobil, sie fahren auf Urlaub. Und ob die sich die Umstände antun, via Wahlkarte oder in den Botschaften im Ausland wählen zu gehen ist fraglich. Unter den jungen ist die Bereitschaft dazu, jedenfalls eher gering. Und das sind schlechte Nachrichten für Komorowski und die Bürgerplattform." Jaroslaw Kaczynski hingegen könne auf eine sehr treue und disziplinierte Wählerschaft zählen, so Jacek Kucharczyk, eine niedrige Wahlbeteiligung würde eher ihm zugutekommen.