Wundervolle Konzerträume

Das Ravenna Festival

Beim Festival in Ravenna setzt man auf die jahrtausendealte Geschichte und auf einen bekannten Namen: Muti. Wer an Riccardo denkt, liegt nur ganz knapp daneben. Bei der erfolgreichen Intendantin handelt es sich nämlich um seine Ehefrau.

Kulturjournal, 05.07.2010

"Man muss sich nur umsehen, um zu verstehen, dass wir Menschen heute riskieren in der Dunkelheit zu leben. Da ist die Dunkelheit der Erdbebenopfer, die verschüttet sind, die Dunkelheit des Egoismus und die der Intoleranz. Unsere Welt braucht daher Licht. Deshalb haben wir uns hier mutig auf die Suche nach etwas Licht gemacht. Und unser Programm vermittelt tatsächlich Hoffnung", sagt Cristina Mazzavillani-Muti.

Videoszenische Kantate

"Von der Finsternis ins Licht" lautet daher das Motto des diesjährigen Festivals in Ravenna. Und Tenebrae - also Finsternis - ist deswegen auch der Titel eines Auftragswerkes, bei dem Intendantin Mazzavillani-Muti Regie führt. Gemeinsam mit dem Komponisten Adriano Guarnieri legt sie bei der letzten Probe vor der Uraufführung Hand an. Die Texte für das Libretto der videoszenische Kantate "Tenebrae" lieferte der italienische Philosoph - und inzwischen Ex-Bürgermeister von Venedig - Massimo Cacciari. Inspiriert ist das Werk an antiken Karfreitagsliturgien

"In diesem Werk findet der Besucher die reine Gregorianik eines Gesualdo da Venosa samt der gotisch inspirierten Musik von Adriano Guarnieri, die sehr große Höhen erreicht und sehr schwer zu singen ist", so Mazzavillani-Muti. "Deshalb haben wir uns für diese Form der Umsetzung entschieden. Hier vermischt sich Reales und Virtuelles, sodass man nie weiß, in welcher Welt man gerade ist. Eben wie das Innerste des Menschen gemacht ist."

Zitate aus Caravaggio-Gemälden

Licht und Dunkelheit, innen und außen, Leben und Tod - diese Gegensätze löst die Regisseurin gestalterisch durch Zitate aus Caravaggio-Gemälden. Wer, wenn nicht der geniale Barockmaler, ist Cristina Mazzavillani-Muti überzeugt, könnte besser den Konflikt zwischen Gut und Böse darstellen.

Wenn die Intendantin über ihre Theaterarbeit spricht, sieht man ihr die Begeisterung an, die sie für die Bühne hegt: "Ich habe in der Welt der Marionetten begonnen - an der Seite meines Vaters. Schon als Kinde habe ich daher mitgeholfen, habe Dekorationen angebracht und Lichter aufgestellt. Ich habe Drehbücher gelesen, Stimmen nachgeahmt - von der bösen Alten, bis zum Teufelchen und den Feen. Für mich ist die Umsetzung eines Projekts etwas ganz spontanes."

Ehefrau Riccardo Mutis

Seit mehr als zwanzig Jahren leitet die in Ravenna geborene und aufgewachsene Ehefrau Riccardo Mutis nun das Festival. Ihr eigentlicher Berufstraum, erzählt sie, war das Opernfach. Die angestrebte Karriere als Sängerin hatte sie aus privaten Gründen jedoch ad acta gelegt.

"Mit meiner Heirat habe ich aufgehört zu singen. Und dieses Ende - im Namen der Familie - hat offenbar etwas im Dunklen gelassen, was irgendwann einmal wieder ans Licht musste. Und die Energie, die ich habe, die Lust etwas zu tun, kommt offenbar daher, dass ich einmal einen Traum in die Schublade gelegt habe, um ihn später in anderem Gewand wieder auszupacken", so Mazzavillani-Muti.

International respektiertes Festival

In all den Jahren ist es Mazzavillani-Muti gelungen, ein international respektiertes Festival auf die Beine zu stellen. Eines, in dem berühmte Namen zur Tagesordnung gehören. Große Konzerte, große Opern, Tanz und Musical sich abwechseln. Dabei wird die gesamte Stadt zur Bühne, freut sich der künstlerische Leiter des Festivals, Angelo Nicastro, der uns zu einem der Konzerte begleitet.

"Hier befinden wir uns auf diesem wundervollen Platz im Freien, der einerseits den Blick auf die Basilika San Vitale freigibt und andererseits auf das Mausouleum die Galla Placidia", beschreibt Nicastro. "Wir befinden uns daher in einem der zauberhaftesten Orte der Stadt."

Große historische Vergangenheit

Immerhin acht Basiliken wurden von der UNESCO mit dem Prädikat Weltkulturerbe versehen. Die Ravennaten sind jedenfalls stolz auf die große Vergangenheit, in der sich Römer, Goten, Langobarden und Byzantiner abwechselten. Epochen, die auch architektonisch die Stadt geprägt - und die letztlich auch wundervolle Konzerträume geschaffen haben.

"San Vitale ist eine ganz spezielle Kirche mit einem achteckigen Grundriss. Die Akustik hier ist einfach atemberaubend - einzigartig auf der Welt", schwärmt Nicastro. "Die Sänger werden sich in den verschiedenen Winkeln der Kirche positionieren, um so die Zuhörer mit ihren Klängen richtig einzuhüllen."

Alte Gesangstechnik

Cantar lontano - also von weitem singen - heißt diese alte Technik, die an diesem Abend zur Aufführung kommt. Ein Abend ganz im Zeichen neapolitanischen Barocks. Ein Abend, der seinen Ausklang in einer weiteren Kirche findet - bei reiner Kerzenbeleuchtung.

"Dieses Programm greift eine jener vergessenen Liturgien wieder auf, die einmal zur Karwoche gehörten", sagt Niscatro. "Die Besonderheit war, dass sich langsam das Dunkel über der anwesenden Gemeinde ausbreitete. Wir haben auch einen antiken Kerzenleuchter gefunden - eine Saetta. Der ist dreieckig und hat 15 Kerzen. Während des Konzerts löscht ein Sänger eine Kerze nach der anderen aus. Bis nur mehr eine - die an der Spitze - übrigbleibt, die Jesus Christus darstellt.

Und da ist es nur logisch, dass auch die Sonntagsmessen während des Festivals Schauplatz musikalischer Hochleistungen werden.