Beschwichtigungstour Van Rompuys
EU-Annäherung des Balkans stockt
Slowenien ist das bisher einzige Land des ehemaligen Jugoslawien in der EU. 2011 dürfte Kroatien den EU-Beitrittsvertrag unterschreiben, doch für die übrigen Nachfolgerepubliken und für Albanien sieht es eher düster aus. Daher wächst der Unmut am Balkan, und das war offenbar der Grund für eine kurze Balkan-Tournee von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 06.07.2010
Zweifel am EU-Balkan-Kurs
Slowenien, Kroatien, Serbien und der Kosovo bilden die Reiseroute von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. In Belgrad bekräftigte van Rompuy am Montag gegenüber Präsident Boris Tadic die EU-Perspektive Serbiens. Trotzdem habe Tadic seine Unzufriedenheit mit der Verlangsamung des Integrationsprozesses bekundet, heißt es in einer Aussendung der Präsidentschaftskanzlei. Journalisten waren zum Treffen nicht zugelassen; doch mangelnde Offenheit ist nur der geringste Grund für beträchtliche Zweifel, ob das Tempo der EU-Annäherung für Serbien, Bosnien Mazedonien, Montenegro, den Kosovo und Albanien schneller wird. Das liegt nicht nur daran, dass etwa in Serbien der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic noch in Freiheit ist. So fragt man sich nicht zu Unrecht am Balkan, wie die belgische EU-Präsidentschaft kraftvolle Impulse setzen soll, wenn Belgien noch nicht einmal eine Regierung hat.
Konfliktthema Kosovo
Serbien ist jedenfalls unzufrieden, dass sein Beitrittsantrag vom Dezember in Brüssel noch nicht behandelt wurde. In diesem Sinne sagt Außenminister Vuk Jeremic: "Das ist eine sehr enttäuschende Tatsache, dass der Europäische Rat so lange braucht, um den Beitrittsantrag von einem Büro in Brüssel zu einem anderen weiterzuleiten. Wir werden aber unsere Gesellschaft weiter reformieren und europäischen Standards annähern. Was jedoch den Kosovo betrifft, so wäre es sehr gut, die EU-Integration Serbiens und den Kosovo getrennt zu halten. Denn was den Kosovo betrifft, so wird Serbien seine Politik um keinen Millimeter ändern."
Widersprüchliche Signale
Der Kosovo ist wahrlich das beste Beispiel, wie sich Serbien mit Unterstützung aus der EU auf dem Weg Richtung Brüssel selbst im Wege steht. So kommen aus der EU zwar immer klarerer Signale, dass Serbien seine Beziehungen zum Kosovo normalisieren muss, um beitreten zu können. Andererseits haben auch fünf EU-Mitglieder die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt, was Serbien ein Einlenken nicht gerade erleichtert.
Schwierige Geschäfte
Abgesehen vom Kosovo hat die regionale Zusammenarbeit nun deutlich an Fahrt aufgenommen. Andererseits stehen noch viele schmerzliche Reformen bevor, wobei Belgrad im Umgang mit einem großen deutschen Investor gerade beweist, wie schwierige es ist in Serbien sein kann, Geschäfte zu machen. Unterstützer gewinnt man so nicht, und Deutschland zählt zu jenen Ländern, die in der EU bei der Erweiterung eindeutig bremsen.
Strategische Bedeutung
Die EU und die Balkanländer seien aufeinander angewiesen, sagt Erhard Busek, ehemaliger ÖVP-Obmann und Balkan-Experte, im Ö1-Morgenjournalgespräch. Die EU brauche die Balkanländer, um ein Gewicht in der Weltpolitik zu erhalten, außerdem sei auf dem Balkan nur so eine Stabilisierung zu erreichen. Und der Balkan sei ein ganz wichtiges Gebiet in Richtung Mittelmeer, Schwarzmeer und Naher Osten. Und auch im Hinblick auf die Zuwanderung sei es wichtig, in diesen Ländern für eine gute soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu sorgen - "damit die Menschen dort bleiben, wo sie sind", so Busek.
"Dann muss man sie nehmen"
EU-Balkan-Experte Erhard Busek im Ö1-Morgenjournalgespräch mit
Zu wenig Engagement der EU-Länder
Die EU sei aber über weite Strecken nicht handlungsfähig, unter anderem weil es in manchen Ländern gar keine funktionierenden Regierungen gebe, aber auch weil die Mitgliedsländer auf ihre eigenen Probleme konzentriert sind. Sogar die deutsche Kanzlerin Merkel, die immer für einen proeuropäischen Kurs gestanden sei, habe die Richtung geändert - nach dem Motto "Deutschland zuerst".
"Dann kann man an ihnen nicht vorbei"
Die Konsequenz für die Balkan-Staaten: Sie müssten die Reformen weitertreiben, so Busek: "Wenn diese Staaten die Bedingungen der EU erfüllen und eine verbesserte wirtschaftliche und soziale Situation und politische Stabilität haben, kann man an ihnen gar nicht vorüber. Dann muss man sie nehmen."
Europäische Karriere
Der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef Erhard Busek ist Präsident des EU-Russland-Zentrums in Brüssel, zudem Präsident des Forum Alpbach und Vorsitzender des Institutes für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM). Er war von Jänner 2002 bis Juni 2008 Sonderkoordinator des EU-Südosteuropa-Stabilitätspaktes - dem Vorläufer des heutigen Regionalen Kooperationsrat (Regional Co-operation Council/RCC).