Skandale erreichen Elysee

Sarkozy zunehmend in Bedrängnis

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy kommt nun selbst zusehends in die Nähe des Finanz– und Steuerskandals um die milliardenschwere L’Oreal Erbin Lilianne Bettencourt (87). Es ist der Verdacht der illegalen Wahlkampffinanzierung aufgetaucht.

Mittagsjournal, 06.07.2010

Affäre weitet sich aus

Bisher ging es in dieser Affäre in erster Linie um Sarkozys früheren Haushalts- und jetzigen Arbeitsminister, Eric Woerth. Er steht unter anderem im Verdacht, von der Steuerflucht der reichsten Frau Europas gewusst zu haben, während er gleichzeitig als Haushaltminister für die Jagd auf Steuerflüchtlinge zuständig war. Dazu kam der Interessenkonflikt, dass die Frau des Ministers in der Firma angestellt war, die Bettencourts Vermögen verwaltet. Nun aber geht es um Parteienfinanzuierung - etwa im März 2007, zwei Monate bevor Nicolas Sarkozy zum Staatspräsidenten gewählt wurde.

Buchhalterin plaudert

Sie heißt Claire T. und war bis Ende 2008 12 Jahre lang die Buchhalterin von Lilianne Bettencourt, deren Vermögen auf 17 Milliarden Euro geschätzt wird. Am Montags wurde Claire T. in der Affäre Bettencourt von der Kriminalpolizei vernommen und ihre Aussagen haben es in sich. In einem Interview mit der Internetzeitung "Mediapart" erzählt die Buchhalterin unter anderem, dass sie über Jahre hinweg wöchentlich 50.000 Euro in Bar abheben und das Geld auf Anweisungen der Familie Bettencourt verteilen konnte.

Bargeld von Schweizer Konto

"Mediapart" hat die geheimen Tonbandaufzeichnungen des Buttlers von Madame Bettencourt vor Wochen veröffentlicht und damit die ganze Affäre ins Rollen gebracht hatte. Dienstagvormittag war deren Webseite nicht mehr zugänglich. Edwy Plenel, Ex–Direktor von Le Monde, heute Chefredakteur der Internetzeitung "Mediapart": "Sie erzählt, wie sie 2007 während der Wahlkampagne angehalten war, Bargeld zu beschaffen. 50.000 reichten nicht, man musste 100.000 von einem Schweizer Konto holen. Das Geld wurde nach ihren Aussagen Eric Woerth übergeben."

Nicht mehr legal

Eric Woerth war damals noch nicht Minister, aber der Schatzmeister von Sarkozys Partei UMP und somit für das Eintreiben von Spendengeldern zuständig. Das Problem: Legal sind Spendengelder in Frankreich nur bis zu einer Höhe von 7.500 Euro jährlich für eine Partei und 4.600 für einen Kandidaten.

Geldverteilung nach dem Diner

Doch Bettencourts Buchhalterin hat gegenüber der Polizei auch Aussagen gemacht, die Frankreichs Staatspräsidenten direkt betreffen. Sarkozy war von 1983 bis 2002 Bürgermeister der Pariser Nobelvorstadt Neuilly, in der sich auch Lilianne Bettencourts Domizil befindet und als Bürgermeister häufig bei den Bettencourts zum Essen geladen. Nach solchen Essen, so die Buchhalterin, sei Geld verteilt worden , jeder im Haus habe das gewusst und auch Sarkozy habe bei diesen Gelegenheiten seinen Umschlag erhalten.

Dementi reichten nicht

Der Elyseepalast ließ Dienstagfrüh vehement dementieren. Und auch der schwer angeschlagene Arbeitsminister Eric Woerth, der in den nächsten Monaten Frankreichs Pensionsreform durchbringen soll, betonte, die Aussagen von Claire T. seien schlicht falsch. Doch selbst namhafte konservative Politiker, wie der UMP-Fraktionsvorsitzende Coppé oder der ehemalige Premierminister Raffarin forderten, Präsident Sarkozy müsse sich gegenüber den Franzosen erklären.

Staatssekretäre zurückgetreten

Diese neue Entwicklung in der Affäre Bettencourt erfolgt nur 36 Stunden nach dem Rücktritt von zwei Staatssekretären. Der eine hatte sich einen Flug im Privatjet für 120.000 Euros genehmigt und durch gefälschte Angaben sich eine Ausbaugenehmigung für eine Villa in der Nähe von Saint Tropez verschafft, der andere sich Zigarren im Wert von 12.000 Euros aus der Kasse des Ministeriums bezahlen lassen. Eigentlich wollte der Staatspräsident diese Rücktritte zum jetzigen Zeitpunkt nicht, musste am Sonntag aber nachgeben.

Schlimmer Sommer für Sarkozy

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Nicolas Sarkozy die Dinge derzeit aus dem Ruder zu laufen scheinen. Sein Krisenmanagement trägt nicht im geringsten zur Beruhigung der Lage bei. Wie Le Monde in ihrem Leitartikel schreibt, steht Sarkozy ein schlimmer Sommer bevor. Seine Popularitätskurve, die bei historisch niedrigen 26 bis 29 Prozent liegt, dürfte so schnell nicht wieder ansteigen.

mehr in ORF.at