Schwer bepackt in die Wüste
Sol 4: Der Ausstieg
Am vierten Tag der Mars-Simulation bereiten sich die Astronauten auf den ersten Außenbordeinsatz vor. Raumanzüge werden überprüft, Sauerstoff- und Funkgeräte angeschlossen, sowie Sicherheitshinweise entgegen genommen - dann öffnet sich die Schleuse.
8. April 2017, 21:58
Ein erster Spaziergang
Es ist 10:12 Uhr Mars-Zeit, und wir warten im EVA-Preparation-Room. Das ist der Raum, in dem sich die Astronauten sich vorbereiten für Außenbordeinsätze - ihre Extra Vehicular Activities (EVA).
Ich stehe hier mit William Fung-Schwarz. Er ist der Security and Health Officer für die Mission "Artemis". Erste Aufgabe: das Anlegen der Raumanzüge. Prozedere und Reihenfolge sind dabei festgelegt: zuerst der Overall, dann die Schuhe, dann der Rucksack mit dem Sauerstoff und am Ende der Helm.
Etwa drei Grad Celsius seien es draußen, lässt HABComm - sozusagen unser Mission Control Houston drinnen, im Habitat - uns über Funk wissen. Der kalte Mars wartet auf uns.
Weißer Anzug, schwarze Manschetten
Anzug und Stiefel sind nicht genug. Als letzte Stufe werden mir zu meinem weißen Raumanzug noch schwarze Manschetten angelegt, die vom Knöchel bis zum Knie reichen. Sie sollen dafür sorgen, dass sich möglichst wenig Mars-Staub auf Anzug und Stiefel absetzt.
Dann klebt mir William Fung-Schwarz Klebeband um die Taille. Die Raumanzüge sind nicht für jeden Astronauten individuell angefertigt, sondern Einheitsgröße. Deswegen gibt es keine Gürtel, sondern Klebeband muss den Anzug in der Mitte zum Overall zusammenschnüren.
Sitzt, passt und hat Luft
Nun kommt der Rucksack dran. Normalerweise käme aus diesem Sauerstofftank Atemluft für Astronauten auf Mond und Mars. Das wird in dieser Simulation jedoch nicht so streng durchgehalten. Es wird hier Luft von außen aus der Wüste in den Helm geblasen, was selbstverständlich auf Mond und Mars unmöglich wäre.
Der Rucksack heißt hier auf dem Mars PLSS, was für Personal Life Support System steht. Das schwierigste beim Aufsetzen ist der Bügel vorne, auf den später der Helm gesetzt wird. Ein enger, fester Gurt, der fürs Atmen nicht unbedingt förderlich ist.
Drei Anschlüsse hat der Helm: einen fürs Funkgerät, einen für die Atemluft, und einen für das Trinkwasser. Seitlich nämlich trägt jeder Mars-Spaziergänger einen Wassertank, von dem ein Schlauch direkt ins Helminnere zum Nuckeln führt.
Vorsicht vor Sonnenbrand
Last but not least klebt mir William oben rechts einen kleinen, orangen Punkt von innen in den Helm, den er mir als Ultraviolet-Detector erklärt. "Verfärbt er sich, ist dies ein Zeichen, dass man zu viel Sonnenstrahlung abbekommen hat, und dass es Zeit ist, wieder 'reinzugehen", warnt mich der Sicherheitsoffizier.
Wir schließen die Schleuse - hinter uns das Habitat, vor uns der Mars, der auf uns wartet. Er wird noch mindestens fünf Minuten warten müssen, denn solange dauert es, den Druckausgleich herzustellen zwischen Mars-Atmosphäre und der erdähnlichen Atmosphäre innerhalb der Station.
Schwerer Anzug, karge Landschaft
Das Warten hat ein Ende. Ich öffne die Schleuse zum Mars - und da sind wir. Die Sonne knallt auf den roten Wüstensand. Mittlerweile seien es 15 Grad Celsius, lässt uns Mission Control über Funk wissen. In dem Raumanzug lässt sich jedoch nicht feststellen, ob es kalt ist oder warm auf dem Mars.
Nach 15 Minuten auf der Mars-Oberfläche wird die Luft zwar nicht dünner, aber anstrengend ist es doch. Die Schwerkraft ist geringer als die auf der Erde aber eben doch stärker als auf dem Mond. Hüpfen und Bocksprünge, so wie die "Apollo"-Astronauten sie gerne demonstrierten, sind hier nicht möglich. Gehen kann man ganz leicht, aber Helm und Raumanzug wiegen doch schwer auf den Schultern.
Die Landschaft zeigt sich genauso wie auf allen bisherigen Mars-Fotos: Man sieht rote Erde, teilweise auch die berühmten grauen Steine, die auf vielen der Mars-Bilder zu sehen sind.
Nicht die einzigen Säugetiere
Nach weiteren fünfzehn Minuten haben wir den ersten Mars-Hügel erklettert. Von oben sehen die kleinen, anthrazitfarbenen Steine aus wie Flechten, Moos oder sonstiger primitiver Mars-Bewuchs. Wenn man aber näher kommt sieht man, dass es eben doch trockene Wüste ist und nur dunkle Steine auf der roten Erde.
Das einzige, was die Illusion einer Mars-Landschaft hier stört, sind die Fußspuren von Kojoten und Antilopen, die wir teilweise im Sand finden. Ansonsten besteht die Landschaft aus Basalt, Sulfat und Sandstein. Teilweise sieht es so aus, als hätte eine Vulkaneruption die verbrannten Steine hier in die Wüste geschleudert.
Feierabend!
"Let's go home", ertönt es nach einer Zeit hinter mir. Erschöpft und nassgeschwitzt folge ich meinem Sicherheitsoffizier zurück ins Habitat.
Just vor dem Betreten der Schleuse sehen wir, wie der Sonnenwind die Flagge der Mars-Society auf einem der Hügel im Mars-Wind wehen lässt. Rot-grün-blau ist sie: Rot für den Mars, wie er heute ist, grün wie er durch Terraforming einmal werden soll und blau für das Wasser auf dem Mars.
Doch das sind Aufgaben für einen anderen Tag.
Service
Mehr zum Mars in science.ORF.at
NASA
The Mars Society
The Moon Society
Wikipedia - Sol (Marstag)