Verfolgung und Belästigung mit Neuen Medien

Cyber-Stalking

Fluch und Segen, Chance und Gefahr - diese Begriffspaare begleiten das Internet seit seiner Entstehung. Cyberstalking - ist das ein bekanntes Phänomen mit Neuen Medien oder eine neue Form der Gewalt? Fest steht: es ist schwer fassbar und im "Anti-Stalking-Gesetz" nur ansatzweise abgedeckt.

Er sei ein Neo-Nazi, sei besachwaltet und leidenschaftlicher Bordell-Besucher. Er trete für sexuellen Missbrauch in der Jugend ein und sei ein Psychopath. Das muss ein Mann in Wien über sich im Internet lesen. Unter diesen Lügen stehen sein Name, seine Adresse und seine Telefonnummer, daneben sieht er sein Foto.

Heuer im Frühling hat der betroffene Wiener eine einstweilige Verfügung gegen den Cyberstalker beantragt und erstmals hat ein Bezirksgericht eine solche Verfügung wegen "Cyberstalkings" erlassen.

Eine Trendwende?

Identitätsdiebstahl oder Verleumdung auf Websiten trifft nicht nur Menschen, die sorglos mit ihren persönlichen Daten umgehen oder ihre Social Network Profile nicht gewissenhaft einstellen. Der Gender-Aspekt, der beim klassischen Stalking typisch ist (80 Prozent der Opfer sind Frauen) fällt beim Cyberstalking fast weg: Frauen und Männer sind zu beinahe gleichen Teilen Opfer wie Täter.

Studien aus den USA zeigen, dass der Anteil der Cyberstalkerinnen wächst: er hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Für Österreich fehlen Vergleichswerte.

Eine erste repräsentative Studie zum Cyberstalking wurde im März veröffentlicht (repräsentativ für jene Österreicher zwischen 18 und 66, die das Internet nutzen). Überraschend viele Menschen gaben dabei an, sich per SMS, E-Mail oder in Chats oder durch die Verbreitung von unerwünschten Inhalten auf Webseiten "in der Lebensführung beeinträchtigt" zu fühlen: jeder Fünfte hat das schon einmal erlebt.

Körperliche Gewalt ist beim Cyberstalking nicht mehr notwendig, wenn die Jagd in der virtuellen Welt stattfindet. Stalker sind nicht nur Ex-Partner oder -Partnerinnen, sondern auch Nachbarn und Bekannte, Klienten oder Schüler, Arbeitskollegen oder Lehrende. Nach wie vor wissen viele Opfer, wer der Täter oder die Täterin ist - deren Verfolgung ist jedoch schwierig.

Der Meilenstein 2006

Gegen klassisches Stalking - das physische Verfolgen und Auflauern - konnten sich Betroffene zivilrechtlich mit einer Einstweiligen Verfügung wehren, allerdings auf eigenes finanzielles Risiko. 2006 trat in Österreich Paragraf 107 a Strafgesetzbuch in Kraft, salopp: "Anti-Stalking-Gesetz" genannt.

Es war ein Meilenstein für Opfervertreter/innen, Wissenschafter/innen und Juristen/innen, die sich mit dem klassischen Stalking befassten. Ein gutes Gesetz, befinden die Expert/innen auch heute noch, vier Jahre später, bei der Umsetzung hapert es. Eine aktuelle Aktenerhebung österreichischer Strafakte zum Stalking liefert die Zahlen: rund 80 Prozent der Stalking-Strafverfahren wurden eingestellt. Die Einstweiligen Verfügungen dagegen wurden großteils bewilligt, deren Umsetzung ist allerdings problematisch.

Cyberstalking trat bei dieser Aktenerhebung nur selten als singuläres Phänomen auf. Vielfach stalken die Täter online und offline. Im Gesetzestext sind auch Methoden des Cyberstalkings als Tatbestand aufgezählt, doch Cyberstalking ist mehr, als Kontaktaufnahme "im Wege einer Telekommunikation" oder das Bestellen von Waren unter Verwendung personenbezogener Daten. Und genau das ist das Problem.

Die breite Palette des Psychoterrors

Die Methoden der Cyber-Stalker sind so vielfältig, wie die Möglichkeiten, die das Internet und die Neuen Medien bieten und die meisten Täter verfolgen ihre Opfer nicht nur über einen einzigen Kommunikationskanal.

Ein gekränkter Mann schreibt Kontaktanzeigen in Foren im Namen der Frau, die ihn verschmäht. Eine Ex-Partnerin verleumdet ihren ehemaligen Freund in Sozialen Netzwerken. Ein Mann wird, wann immer er die Wohnung verlässt, von seinem Nachbarn fotografiert. Ein anderer verfolgt seine Ex-Frau mittels GPS und eines Peilsenders, den er an ihrem Auto montiert hat.

Neue Dimension der Belästigung

Mit den neuen Möglichkeiten hat die "beharrliche Verfolgung" auch eine neue Dimension für Betroffene bekommen: sie haben keine Kontrolle über das, was in ihrem Namen geschrieben wird oder über sie erzählt wird. Inhalte aus dem Netz zu entfernen ist keine einfache Sache - das wissen Opfer wie Täter.

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