1,2 Millionen Soldaten betroffen
Russische Armeereform gescheitert
Sie war der Schrecken aller westlichen Armee, einschließlich des Österreichsichen Bundesheeres - die Rote Armee der Sowejtunion. Die heutigen russischen Streitkräfte sind dagegen in erster Linie mit sich selbst beschäftigt.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.07.2010
1,2 Millionen Soldaten
Mit 1,2 Millionen Soldaten hat Russland zwar immer noch eine der größten Armeen. Der Generalstab hat aber eingestanden, dass auch die aktuelle Armeereform gescheitert ist. Bei der Übung "Osten - 2010" zeigt die russische Armee was sie kann: Geübt wird bei dem Manöver im russischen Fernen Osten die Niederschlagung eines Aufstandes - offiziell alles erfolgreich. Dabei sind die russischen Streitkräfte seit Jahren weniger mit einem äußeren Feind als mit sich selbst beschäftigt, meint der Vorstand des Instititutes für militärische Prognosen Anatolij Zyganok: "Bei einem Manöver in Weißrussland hat eine unsere besten Brigaden einen Tag gebraucht um für den transport verladen zu werden, war 5 Tage mit dem Zug unterwegs, und hat einen tag zum Ausladen benötigt, also 7 Tage für 500 Kilometer. Gleichzeitig war ein Manöver der chinesischen Armee: in sieben Tagen waren sie 2.900 Kilometer unterwegs, haben ihre Übung durchgeführt und sind wieder zurückgekommen."
Armee in schlechtem Zustand
Die Armee sei in einem ausschließlich schlechten Zustand meint Zyganok, der selber jahrelang im Generalstab war. Seit vier Generationen stelle seine Familie Offiziere, aber sein Sohn habe den Dienst verweigert, erzählt er. Einer der Gründe - die unmenschliche Behandlung der Soldaten . Jedes Jahr kommen in der Armee 2.000 Soldaten ums Leben, durch Selbstmorde, Unfälle oder weil ihnen die medizinische Behandlung verweigert wird erklärt Valentina Melnikova vom Komittee der Soldatenmütter: "Schlechter als jetzt kann es nicht werden. Unsere Organisation gibt es seit 25 Jahren, und jeder Soldat der eingezogen wird, wird erniedrigt, geschlagen oder auf andere Weise das Opfer unmenschlicher Behandlung, auch wenn das meiste davon nie ans Licht kommt."
Wenig Rechte für Soldaten
Normale Soldaten hätten heute weniger Rechte als Häftling zu Sowjetzeiten, meint Melnikowa. Viele würden von ihren Vorgesetzten als billige Arbeitskräfte weiterkauft, sich zu wehren sei oft ein Todesurteil. Der einzige Weg das zu ändern sei eine Berufsarmee einzuführen. Mit dieser Forderung ist Melnikova nicht allein. Von Boris Jelzin über Wladimir Putin bis zu Dmitrij Medwedew wollten alle russischen Präsidenten die Armee verkleinern und professionalisieren. Alle sind gescheitert - am Widerstand des Generalstaabes und der militärischen Führung.
Wehrpflicht wurde verkürzt
Ein erster Reformschritt war, dass die Wehrpflicht von 2 auf 1 Jahr verkürzt wurde. Das führe aber dazu, dass die Armeeführung immer mehr Leute einberufe, weil sich die Strukturen nicht geändert haben meint der Bürgerrechtler Ivan Samarin, der Jugendlichen bei der Einberufung rechtlich unterstützt: Der Generalstab zieht die reale Situation überhaupt nicht in Betracht. Spätestens 2016 wird es so viele Leute wie sie einberufen wollen überhaupt nicht mehr geben! Deshalb holen sie jetzt schon Kranke und Untaugliche. Denn die russische Bevölkerung schrumpft massiv: gegenüber den letzten jahren der Sowjetunion hat sich die Zahl der Unter-18-jährigen in Russland halbiert - der Armee gehen die Menschen aus. Und abgesehen von den alten sowejtischen Atomwaffen kann auch die Technik nicht mit der anderer Armee mithalten. Fast alles, was der militärisch-industrielle Komplex produziert, geht in den Export.
Hoffen auf Geld
Die Armee hofft auf eines - Geld. Kein Wunder, sagt dazu Militärexperte Anatolij Zyganok. Viele Generäle seien Korrput und hoffen auf Bestechungsgelder der Waffenindustrie: "Ich glaube nicht, dass man die Armee modernisieren kann. Man müsste sie verkleinern völlig neu gründen, so wie das schon Zar Peter der Große gemacht hat der die alte Armee aufgelöst hat, als er gesehen hat, dass man sie nicht reformieren kann!" 36 Trilliarden Rubel würde es kosten, die Armee auf einen modernen Stand zu bringen, sagt der Generalstab - das entspricht etwa der gesamten russischen Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres.