Wirtschaftsbericht der Regierung

Krise noch nicht ganz vorbei

Mit der österreichischen Wirtschaft geht es bergauf, der Aufschwung ist allerdings noch zögerlich, die Wirtschaftskrise noch nicht gänzlich vorbei. Das ist eine der Zentralaussagen des heurigen Wirtschaftsberichts, den die Bundesregierung am Mittwoch in der Wiener Hofburg vorgestellt hat.

Mittagsjournal, 14.07.2010

Auch neue Risiken

Für seine staatlichen Konjunkturspritzen gibt Österreich 2009 und heuer 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Im EU-Schnitt sind es 2,7 Prozent. Mit 3,5 Prozent fiel Österreichs Wirtschafts-Rückgang im internationalen Vergleich vergleichsweise niedrig aus, und die heimische Wirtschaft verkraftete die Krise "erstaunlich gut". Das schreibt die Regierung im Wirtschaftsbericht 2010, der am Mittwoch in Wien von der Regierungsspitze vorgestellt wird. Führende Ökonomen sprechen darin allerdings auch neue Risiken an - Stichwort: Schuldenkrise. Der - schleppende - Aufschwung sei demnach noch länger nicht selbsttragend, wird also noch von den Konjunkturprogrammen gestützt. Einen Rückfall in die Rezession fürchten die Ökonomen nicht.

Richtige Ansätze

Die Regierung listet im Wirtschaftsbericht auf mehr als 180 Seiten auf, welche Hilfen und Förderungen im Einsatz sind, welche Strukturmaßnahmen anstehen, und wie das große Problem der Arbeitslosigkeit entschärft werden soll. Vorausgeschickt wird, dass angesichts der Dimensionen des Einbruchs und vor allem vor dem Hintergrund von Problemen mancher Euro-Staaten "die Krise noch nicht komplett überwunden" sei. Aber Ansätze in die richtige Richtung existierten. Noch nicht ausgestanden sei die Krise am Arbeitsmarkt.

Schwacher Euro hilft

"Bei allen Gefahren, die von der Situation in Griechenland oder anderen Mitgliedstaaten ausgehen" sei zumindest die Wirkung auf die gemeinsame Währung nicht nur negativ zu sehen. Die Euro-Abwertung helfe gerade einem Land wie Österreich, das seine Stärke zum Großteil aus dem Export beziehe, heißt es im unter Federführung des Wirtschaftsministeriums erstellten Wirtschaftsreport.

"Fragile Erholung"

Der OECD-Chefökonom Pier Carlo Padoan sieht internationale Aufschwungs-Erwartungen von neuen Risiken aus Schuldenproblemen von Staaten überschattet. Ein ernstes Risiko wären zudem Überhitzungen in bestimmten Emerging Markets. Von einer "fragilen Erholung" schreibt auch EU-Kommissar Olli Rehn im Wirtschaftsbericht. Nach ersten Zeichen einer Belebung schreite die Erholung in Europa "sehr viel langsamer voran als in früheren Aufschwüngen". Diese Feststellung unterstreichen namhafte heimische Ökonomen im heute vorgestellten Report. Rehn: Nach Veröffentlichung der EU-Frühjahrsprogose habe die Verschärfung der Schuldenkrise zwar in einigen Staaten die Wirtschaftsaussichten eingetrübt. Es gebe jetzt zur Jahresmitte aber trotzdem keine hinreichenden Gründe, die Prognose zu revidieren.

In der EU hat die Rezession das staatliche Defizit seit 2008 verdreifacht. Rehn bekräftigte die Aufforderung, dass Länder mit geringem finanzpolitischen Spielraum ihre Konsolidierung sofort beschleunigen sollten, jene mit mehr Spielraum jedenfalls 2011 damit beginnen müssten. Er warnte: "Ohne weitere Reformen riskiert Europa Stillstand und schleichenden Rückschritt." Das meiste müsse dabei auf nationaler Ebene getan werden.

Stotternder Motor Osteuropa?

Wifo-Chef Karl Aiginger sieht Österreich bei der Lösung dreier großer Problembrocken - Senkung der Arbeitslosigkeit, Budgetsanierung, Wettbewerbskraft sichern - vor etwas geringeren Herausforderungen als andere Länder. Sein Vorgänger Helmut Kramer gibt zu bedenken, dass allerdings Osteuropa als Wachstumsmotor auf Sicht aussetzen dürfte.

Industrie-Ökonom Christian Helmenstein sieht trotz eines realen Produktionsminus im 1. Quartal von 0,1 Prozent zum Vorquartal in Österreich "keinen Anlass, diesen Befund als Menetekel eines bevorstehenden Double Dips, also eines erneuten Abgleitens in die Rezession, zu sehen". Er betrachtet die aktuellen BIP-Wachstumsprognosen als derzeit relativ gut abgesichert.

Folgen der Budgetsanierung

Bankökonomen lässt die Regierung im Bericht ebenfalls zu Wort kommen: RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek stellt Budgetkurs und Wachstumsdynamik in Zusammenhang. Der Reformbedarf (strukturelles Defizit) von 3,8 Prozent des BIP (10,8 Mrd. Euro) im Jahr werde jedenfalls "spürbare" Folgen haben. Zwar werde eine energische, überwiegend ausgabenseitig getragene Budgetsanierung ab 2011 "Kratzspuren" im BIP des kommenden Jahres hinterlassen. Langfristig sieht er aber eine Stimulation. "Sollten jedoch nennenswerte Steuererhöhungen den Anteil des öffentlichen Sektors weiter stützen, dürfte das Potenzialwachstum in den nächsten Jahren bei nur mehr 1,5 Prozent liegen".

Aufschwung nur zögerlich

Bank Austria-Analyst Stefan Bruckbauer sieht eine weitere Erholung im Jahresverlauf 2010, allerdings bei abschwächender Dynamik. Ein selbsttragender Aufschwung komme wegen weiterer großer Unsicherheiten nur sehr zögerlich voran. Für 2011 erwartet er für Österreich mit 1,4 Prozent ein deutlich unter dem Wachstumspotenzial liegendes Wirtschaftswachstum. (Text: APA)