Bei Klimaanlagen gespart?

Kritik an Deutscher Bahn

Die schnellen ICE-Züge der Deutschen Bahn waren als Vorzeigemodelle bekannt. Gerade sie haben öfters technische Probleme bei extremen Temperaturen. Die Klimaanlagen, unbedingt notwendig in den luftdicht abgeschlossenen ICE-Zügen, fallen reihenweise aus. Man kritisiert, die Bahn habe aus Kostengründen an der Substanz gespart.

Mittagsjournal, 16.07.2010

Züge müssen luftdicht sein

In den 1960er-Jahre war der Slogan sprichwörtlich: "Alle reden von Wetter, wir nicht, Deutsche Bahn". Das waren allerdings weniger komplizierte Zeiten. Zeiten, in denen man einen Eisehbahnwaggon auch noch durch das Öffnen der Fenster abkühlen konnte.

Die neuen, superschnellen ICE-Züge müssen luftdicht sein, weil sonst die Druckunterschiede zu groß werden, wenn ein anderer Zug in Gegenrichtung fährt oder ein Tunnel passiert wird. Es könnten die Trommelfelle der Passagiere platzen. Nun können in den ICE-Zügen bei Hitze nur die Klimaanlagen abhelfen. Wenn diese ausfallen, kann sich der Metallrumpf eines Treibwagenzuges auf lebensbedrohliche Temperaturen aufheizen.

Ein Fall für den Staatsanwalt

Zum dramatischsten Fall dieser Art ist es vor einer Woche gekommen. Eine Schülergruppe aus Nordrhein-Westfalen war stundenlang im ICE-Zug unterwegs, bei defekter Klimaanlage und Temperaturen über 50 Grad Celsius. Keine Getränke an Bord, keine Auskünfte vom Zugpersonal, kein Anhalten für mehrere Stunden. Erst in Bielefeld wurde der Zug geräumt. Neun Schülerinnen und Schüler mussten wegen schweren Wasserverlusts und Kollapsneigung ins Krankenhaus gebracht werden.

Eine Betroffene schildert die Situation: "Auf dem Bahnsteig bin ich dann zusammengebrochen. Ich habe noch einen Freund am Arm aus dem Zug gezogen. Es war ein enormes Gedränge, da jeder als Erster aus dem Zug wollte. Außerdem mussten wir sehr lange auf die Rettungskräfte warten." Jetzt ermittelt der Staatsanwalt gegen das Zugpersonal wegen fahrlässiger Köperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.

Betroffene Züge wieder in Betrieb

Aber das Drama im Zug war kein Einzelfall. Mehr als 40 Mal hat in den letzten Tagen bei einem Zug der Deutschen Bahn die Klimaanalage ganz oder teilweise versagt. Den Grund, gibt die Bahn zu, kenne sie nicht. Ulrich Homburg, der Personenverkehrschef der Deutschen Bahn, gibt auch zu, dass die von Ausfällen betroffenen Züge einfach wieder auf die Strecke geschickt werden: "Alle diese Klimaanlagen, die ausgefallen sind, sind nach einer Abkühlungsphase wieder fehlerfrei in Betrieb. Wir mussten an keiner einzigen Klimaanlage ein fehlerhaftes Teil austauschen." Es käme zu einer Abschaltung und nach einiger Zeit sei die Klimaanlage wieder funktionsfähig, sagt Homburg.

Fehler bei Konstruktion?

Nun wurde bekannt, dass ein Schlüssel zum Problem schon in der Konstruktion liegen dürfte. Die am häufigsten betroffenen Züge haben Klimaanlagen, die nur bis zu einer Höchsttemperatur von 32 Grad garantiert und vorschriftgemäß funktionieren. Das entspreche der zur Bauzeit gültigen Norm, wie es heißt. Nun sollten die Anlagen aber bei mehr als 32 Grad auch noch zumindest schlecht und recht weitermachen. Aber das tun sie zuweilen nicht, aus Gründen, die die Bahn nicht kennt.

Kritik an schlechter Wartung

Beunruhigend finden das die Vertreter der Fahrgäste, die einen Grund auch in Vernachlässigung der laufenden Wartung sehen. Die Bahn hätte zu sehr gespart, um profitabler für den Eigentümer Staat und für zukünftige Aktionäre zu werden, meint Karl-Josef Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn: "Die Bahn hat zu viel gespart. Das kam auf politischen Druck. Die Politik wollte lange Zeit den Börsegang. Jetzt ist die Politik wesentlich weniger vorbildlich, indem sie der Deutschen Bahn jedes Jahr 500 Millionen Euro abknöpfen will. Anstatt, dass man diesen Betrag in die Zuverlässigkeit der Züge investiert."

Keine adäquate Entschädigung

Kritik übt der Fahrgastvertreter auch an der Entschädigungspolitik der Deutschen Bahn. Wer eine albtraumhafte Fahrt im heißen Zug hinter sich hat, bekommt von der Bahn ausgerechnet Gutscheine für eine Bahnreise im eineinhalbfachen Fahrkartenwert. Die zweifelhaften Freuden des Bahnfahrens dürfen im Fall des Falles noch länger ausgekostet werden.