Die erste Oper der Musikgeschichte als Frischware

Monteverdis "L'Orfeo" am Wiener Semperdepot

Die deutschen Musiker und Regisseure Andreas Bode und Titus Engel produzieren am Hamburger Kampnagel neuartige Aufführungen historischer Opern wie "Der Freischütz" und "Don Giovanni". Das Theater an der Wien zeigt ab Mittwoch ihren bisher letzten Opernstreich: "L'Orfeo".

Orfeo als Popbarde

Frühbarocke Oper, gespielt von Streichinstrumenten, Zymbal, einer E-Gitarre und einem Fender Rhodes Piano: Im schlimmsten Fall wäre das ein abgestandener Modernisierungsschmäh von gestern. Nicht so bei Monteverdis "L'Orfeo" im Semperdepot: Das Experiment geht auf. Regisseur Andreas Bode und Dirigent Titus Engel wollen mit Produktionen wie dieser zeigen, dass die Gattung Oper nicht tot, alt und gepudert ist.

"Das ist schon eine Aufführung, die auch junge Leute, die nicht unbedingt traditionelle Opernfans sind, begeistern kann für Musiktheater. Wir haben das gemerkt bei unseren Aufführungen in Hamburg und Berlin", sagt Titus Engel.

Junges Opernpublikum begeistern

"L'Orfeo" aus dem Jahr 1607, die erste Oper der Musikgeschichte, wird von Bode und Engel sozusagen in der Resonanzraum der Popballade geschickt. Und das, ohne eine einzige Note von Monteverdi zu ändern, erklärt Titus Engel. "Der einzige Unterschied zu einer historischen Aufführung ist, dass wir andere Instrumente verwenden. Und natürlich gibt es in der Aussetzung des Generalbasses gewisse Freiheiten, die manchmal solche Anspielungen haben in den Popbereich, und kontrastieren zu den rein barocken Teilen"

Der antike Sänger Orpheus, bei Monteverdi ein Tenor, wird von der Sopranistin Catrin Kirchner dargestellt. Als androgyner blonder Barde im schmalen schwarzen Anzug erinnert dieser Orfeo optisch an David Bowie.

Hätte er sich nicht umgedreht ...

Die Handlung von Monteverdis Oper entspricht dem antiken Mythos. Der Dichter-Sänger Orfeo darf seine tragisch verstorbene Braut Euridice aus der Unterwelt zurückholen. Vorausgesetzt er dreht sich nicht nach ihr um auf dem Weg nach oben, was er dann leider doch tut.

In der Konzeption von Bode und Engel spielen insgesamt fünf Sängerinnen und Sänger alle Rollen, von Göttern bis zu Hirten und allegorischen Figuren. Man hält eine Zusammenkunft in einer Sandlandschaft, die künstlicher Strand oder Wüste sein kann, Welt und Unterwelt in einem.

"Dass Figuren versuchen, sich ein Paradies zu kreieren und das dann nicht schaffen oder scheitern, ist ein Versuch, die menschliche Suche zu thematisieren auf allen Ebenen", sagt Andreas Bode."Unsere Frage war immer, wie schwierig ist es heute, sich ein Paradies vorzustellen, oder wie schwierig ist es, Gut und Böse zu trennen? Man versucht das ja immer wieder, aber es gelingt nicht. Leider versteckt sich das Böse immer dort, wo man es nicht vermutet, nämlich hinter dem Guten."

Experiment geht auf

Die Figuren bewegen sich wie bei einer Idylle im Freien auf einem Renaissancebild und gleichzeitig wie bei einer jungen Party von jetzt - ohne dass es aufgesetzt wirkt. Umkleiden geschieht auf offener Bühne - zum Beispiel werden aus ein und derselben Anorak-Jacke immer wieder andere bauschige Röcke modelliert.

Die Produktion aus Hamburg wurde für das spektakuläre Foyer im Semperdepot mit seinen hohen Galerien neu adaptiert - nach der Premiere am Mittwoch wird noch dreimal gespielt.