Afrika und seine Missionare
Das Reich und die Macht und...
Sie sind fanatisch oder liebenswürdig, verschroben oder misstrauisch: die Missionare, denen man in afrikanischen Romanen begegnet. Ihr Wort war Gesetz, ihr strafender Blick reichte bis ins Innerste der Seelen, ihre Güte wurde nie vergessen.
8. April 2017, 21:58
Erste Versuche
Die ersten Missionare kamen um 1490 nach Schwarzafrika, und zwar auf Bitten des Mani-Kongo, des "Herrn von Kongo" Nzinga Nkuwu, dessen riesiges Reich weit über das Kongobecken hinausreichte. Sie kamen, weil dem Mani-Kongo so gefallen hatte, wie die Portugiesen seine acht Jahre zuvor geraubten Untertanen zurückgebracht hatten: mit allen Anzeichen von Macht und Reichtum ausgestattet. Wenn diese neue Religion solche Auswirkungen hatte, dann wollte auch er diesem neuen Gott huldigen.
Und so ließ sich der König taufen – nicht ohne zuvor die Vertreter der neuen Religion würdevoll willkommen zu heißen: Den gesamten Weg von der Küste bis zu seiner Hauptstadt, 150 Meilen, ritten die Portugiesen auf gekehrten Straßen, die im Überfluss mit Lebensmitteln und Geschenken gesäumt waren. Diese "Flitterwochen" dauerten jedoch nicht lange. Bald schon gab der Mani-Kongo seine religiösen Übungen wieder auf und kehrte zu seinen Fetischen zurück. Wer aber weiterhin der neuen Religion treu bleiben wollte, hatte keine Repressalien zu befürchten.
Angedrohte Höllenstrafen
Leider verlief die weitere Geschichte des Christentums in Schwarzafrika nicht so freundlich, ganz im Gegenteil. Oft genug leisteten die Zwangszutaufenden Widerstand, wurden zu ihrem Glück und dem neuen Gott gezwungen und hielten im Geheimen an ihren alten Göttern und Bräuchen fest. Zumal auch die Missionare zuweilen sehr seltsam waren: fanatisch donnernd in ihrem Machtanspruch, im Besitz der alleinig wahren Religion zu sein, Höllenstrafen androhend - vor allem gegen den freizügigen Umgang mit der Sexualität, voll Zerstörungswut und Respektlosigkeit gegen die Zeichen und die Götter der alten Religion, Zwist und Unfrieden verbreitend den Schäfchen und den Unwilligen...
Ein solcher Donnerer ist H. H. P., der Hochwürdige Herr Pater, den Mongo Beti in seinem Roman "Der arme Christ von Bomba" verewigt hat. Dieser Missionar hasst es, wenn die Menschen in seiner Kirche sitzen, wenn Kinder während seiner langen Messen weinen, wenn während seiner Predigt gehustet wird – und merkt nicht, dass er sich dadurch lächerlich macht. Selbstverständlich lässt ihn das auch keines seiner "Schäfchen" merken - wer will schon freiwillig den Zorn des Guten Hirten auf sich ziehen? Dass H. H. P. mit der Zeit und mit dem Alter milder wird, macht ihn sympathisch - obwohl diese Darstellung 1956, als der Roman erschien, einen großen Skandal hervorrief. Heute gehört "Der arme Christ von Bomba" zu den Klassikern der afrikanischen Literatur.
Nicht so wie die anderen
Vergleichsweise jung, in den ersten Jahren des zweiten Jahrtausends, entstand das Porträt, das Lewis Nkosi von seinem Missionar zeichnet: einem Schotten, der in den 1960er Jahren seinen halbwüchsigen Zulu-Schäfchen am liebsten von den Rittern erzählt - und von der höfischen Minne, was den frechen Schülern natürlich jede Menge Spaß bereitet, und genügend Möglichkeiten zur Selbstdarstellung bereit hält. Dieser Missionar wird zwar geschätzt, ob er allerdings seiner Aufgabe gerecht wird - die wahre Religion zu verbreiten - mag bezweifelt werden.
Afrikas literarische Missionare
Ein großes Spektrum an Persönlichkeiten hat zwischen diesen beiden sehr gegensätzlichen Porträts Platz, etwa der von heiligem Ernst erfüllte Missionsschüler Mwambu, der so gerne Priester werden möchte - im Roman "Der Berg am Rande des Himmels", den der ugandische Autor Timothy Wangusa 1989 veröffentlicht hat. Oder den an sich und seiner Aufgabe zweifelnden, verzweifelnden Herrn Brown, den der Nigerianer Chinua Achebe in seinem Roman "Okonkwo oder Das Alte stürzt" zeichnet. Den Pfarrer Hallowes Ironmonger, der zwar weiß war, den aber keiner mehr als "Weißen" wahrnahm, weil er die Güte selbst war. Er ist im Roman "Verbrannte Blüten" des Kenianers Ngugi wa Thiong'o zu finden.
Die seltsamste Behandlung von Missionaren ist aus Brasilien bekannt, beziehungsweise dem Roman "Brasilien, Brasilien" von Joao Ubaldo Ribeiro. Dort stellen die verschleppten Afrikaner, die im Urwald eine Siedlung von Cimarrons, entflohenen Sklaven, errichtet haben, den Missionaren eine Falle - und bereiten dann ihren Fang auf die verschiedenste Weise zu: gepökelt, geräuchert, gebraten...
Service
Mongo Beti, "Der arme Christ von Bomba", Peter Hammer Verlag
Lewis Nkosi, "Mandela und der Bulle von Mondi", Peter Hammer Verlag
Timothy Wangusa, "Der Berg am Rande des Himmels", Kyrill & Method Verlag
Chinua Achebe, "Okonkwo oder Das Alte stürzt, Suhrkamp Verlag
Ngugi wa Thiong'o, "Verbrannte Blüten, Peter Hammer Verlag
Joao Ubaldo Ribeiro, "Brasilien, Brasilien", Suhrkamp Verlag
János Riesz (Hg.), "Blick in den schwarzen Spiegel. Das Bild des Weißen in der afrikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts", Peter Hammer Verlag