Amnesty erhebt schwere Vorwürfe

Flüchtlingsalptraum Griechenland

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft Griechenland vor, Asylwerber und illegal eingereiste Personen wie Kriminelle zu behandeln und in menschenunwürdige Haftbedingungen festzuhalten. Amnesty International listet die Gesetzesmängel Griechenlands und das Versagen der staatlichen Behörden auf. Amnesty-Österreich-Chef Heinz Patzelt spricht von einem "nackten Alptraum".

Unbeschreibliche Zustände

Gerade nach Griechenland werden viele Asylwerber und illegal Aufgegriffene aus Österreich abgeschoben - ist der österreichische Urlaubstraum eine Hölle für Menschen auf der Flucht? "Absolut", sagt Heinz Patzelt von Amnesty International Österreich. Die Zustände in den Gefängnissen seien "unbeschreiblich", "ein nackter Alptraum", wie in einem "Buschgefängnis der 60er-Jahre in Afrika oder in Südamerika".

"Ein nackter Alptraum"

Amnesty-Österreich-Chef Heinz Patzelt im Interview mit

EU und Menschenrechte

Griechenland zeige, wie "absurd und unverwendbar" die sogenannte Dublin-Verordnung sei, so Patzelt. Die EU-Länder müssten Asylverfahren für Menschen, die auf ihrem Gebiet angetroffen werden, auch selber durchführen. Wenn man die Flüchtlinge nach Griechenland schicke, könne man sie gleich auch nach Afghanistan oder in den Iran schicken, das mache keinen großen Unterschied mehr. "Die EU und Österreich als Mitgliedsland müssen sich entscheiden, ob sie Menschenrechte weiterhin als Kernelement der Europäischen Union hochhalten wollen", so Patzelt.

Widerspruch zu internationalen Standards

Man kann die Amnesty-Kritik in einem Satz zusammenfassen: Griechenland behandelt Asylwerber und illegal eingereiste Personen miserabel. Selbst Mütter mit Babys und Minderjährige ohne Begleitpersonen sind davon nicht ausgenommen. Üblicherweise werden Flüchtlinge sofort und für einen längeren Zeitraum eingesperrt, obwohl das allen internationalen Standards widerspricht. Dass kaum Asyl gewährt wird, passt da ins Bild.

Mittagsjournal, 27.07.2010

Übelste Zustände

Die Zustände in den Gefängnissen, Polizeizellen und Anhaltelagern sind in den meisten von Amnesty untersuchten Fällen abenteuerlich. An der Tagesordnung sind Überbelegung, schlechte hygienische Zustände, begrenzter Zugang zu Toiletten, kaum sauberes Wasser, unzureichende medizinische Versorgung oder alleinstehende Kinder, die ohne Hilfe in Erwachsenenlagern gefangen gehalten werden. Von übler Behandlung durch Polizei oder Küstenwache gar nicht zu reden.

Fehlanklagen und -urteile

Informationen für Asylwerber gibt es kaum, vielfach sind sie einfach falsch, oder sie werden in einer Sprache übermittelt, die der Asylwerber nicht beherrscht. Beispiele: Eine afghanische Familie wurde von einem Gericht zu einer Strafe verurteilt - bei dem Verfahren bekam sie keinen Dolmetscher und keinen Anwalt. Oder: Ein 16jähriger Flüchtling aus Afghanistan wurde gegen seine eigenen Angaben als erwachsener Iraner geführt, nachdem er wegen Waffenbesitzes verhaftet worden war. Sein Vergehen: Er trug ein Taschenmesser bei sich.

Schikanöse Zwickmühle

Vielfach vergehen Monate, ehe eine griechische Behörde einen zweiten Versuch unternimmt, die Nationalität einer Person zu verifizieren. In dieser Zeit bleibt diese Person eingesperrt. Oder man entlässt illegale Einwanderer einfach in eine Zwickmühle. Weil ihre Heimat sie nicht zurücknimmt, entlässt man sie aus der Haft in Griechenland und gibt ihnen 30 Tage Zeit, auszureisen. Dieser Ausreisebefehl steht auf griechisch auf einer kleinen Karte, die die meisten für einen Ausweis halten und nicht lesen können. Werden die illegalen Einwanderer dann aufgegriffen, ist das Grund genug, sie neuerlich einzusperren. Einziger Lichtblick für Amnesty: Griechenland hat Besserung versprochen und will einige Gesetze ändern. Für Amnesty ist das aber zu wenig, und es wird zu lange dauern.

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