Autoren-Schwerpunkt startet

Salzburg führt erstmals Stefan Zweig auf

Erstmals in der Geschichte der Salzburger Festspiele findet sich heuer ein Werk von Stefan Zweig auf dem Spielplan: Die dramatisierte Novelle "Angst", in einer Bearbeitung von Koen Tachelet, hat am Mittwoch am Salzburger Landestheater Premiere, Regie führt Jossi Wieler.

Mittagsjournal, 28.07.2010

Psychologisch feinfühlige Erzählung

Es ist eine Dreiecksgeschichte, die da erzählt wird, spannend wie ein Krimi. Eine Dame, der besseren Gesellschaft, die sich in ihrer trägen, windstillen Ehe langweilt, wie Stefan Zweig es formuliert, wird wegen einer Liebschaft erpresst.

Obwohl Irene ihr Liebhaber nach kurzer Zeit schon fast so kalt lässt wie ihr Ehemann, reizt sie das Prickeln des Verbotenen. Dafür will sie ihre gutbürgerlichen Sicherheiten aber nicht aufs Spiel setzen. Sie gibt der Erpresserin nach.

Mit großem psychologischem Feingefühl gibt Stefan Zweig Einblick in die Verlorenheit dieser Frau. Im Hintergrund ist Sigmund Freud spürbar, als väterlicher Freund und Lehrer Stefan Zweigs, dessen Grabrede Zweig 1939 in London hielt.

Verschwimmen der Wirklichkeit

Für Irene, in deren seelische Abgründe das Publikum blicken darf, überschneiden sich wirkliche Wahrnehmung und Täuschung. Ihre Tage werden zum Albtraum. Koen Tachelet hat das in der Theaterfassung noch betont: "Das haben wir versucht zu behalten, dass Irene der Mittelpunkt ist und dass die anderen Figuren immer wieder auftauchen, und wieder verschwinden und man sich fragt, 'sind die wirklich dagewesen oder war das nur in ihrer Phantasie?' - und dass sie dann wieder weggehen."

Es ist ein Stück über die Schwierigkeit der Frauen sich von dem Patriarchat des Fin de siècle zu befreien, wie Stefan Zweig es auch in "Die Welt von gestern" beschreibt. In seiner Jugend erlebte Zweig, wie sich die tradierten Geschlechterbeziehungen auflösten, wie sich eine Verwandlung von Männer- und Frauenbildern ankündigte. In der Novelle "Angst" beschreibt Zweig diese Welt schon als zerbrochen, ja als zerstörerisch.

Prosa und Drama zugleich

Bereits 1954 wurde "Angst" von Roberto Rossellini verfilmt, mit Ingrid Bergmann in der Hauptrolle.

"Das sind dann so etwas wie innere Monologe von dieser Figur Irene Wagner", sagt Regisseur Jossi Wieler, "aber da gibt es dann auch viele dialogische Szenen, also dramatische Szenen, wie in einem Drama. Es gibt quasi Prosa und Drama zugleich vom literarischen Stil her."

Die heutige Premiere von "Angst" verspricht eines der Highlights der diesjährigen Salzburger Festspiele zu werden.