Kultur, Politik, Ideologie für Eliten?

Das Theater in der Josefstadt

Herausgeberin Birgit Peter glaubt, "dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Kunstproduktion, insbesondere Theaterproduktion zur Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Systems noch immer ein unterbelichtetes Forschungsgebiet ist". Mit einem Buch über das Theater in der Josefstadt soll nun die dunkle Thematik ein wenig ausgeleuchtet werden.

Der Dokumentationsband, den Peter gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerald M. Bauer zusammengestellt hat, basiert auf einem Symposium, das im November 2008 in der Josefstadt abgehalten wurde. Die damals noch relativ neue Direktion - Herbert Föttinger und Alexander Götz (Direktoren seit 2006) - war die erste, die eine wirklich tiefgehende Aufarbeitung der Josefstadt-Geschichte zuließ und auch förderte.

Zwar hatte es bereits 1988 unter Otto Schenk und Robert Jungbluth einen "Erinnerungsabend" an die NS-Zeit gegeben, der jedoch - so Birgit Peter und Gerald M. Bauer in ihrem Vorwort zur aktuellen Dokumentation - zwar "dem Gedenken an die Opfer Raum gab, allerdings die Täter in den Hintergrund der Auseinandersetzung schob".

Der Dokumentationsband, den Peter und Bauer nunmehr vorlegen, umfasst insgesamt 12 Beiträge. Der Fokus der Untersuchungen liegt bei den Vorgängen im Theater zwischen 1938 und 1945, mit einbezogen sind aber auch die Direktionszeiten von Max Reinhardt (ab 1924) und Ernst Lothar.

"KZ auf Urlaub"

Das Theater in der Josefstadt sei ein "KZ auf Urlaub", soll Joseph Goebbels einmal gesagt haben, und dieser drohend gemeinte Ausspruch des NS-Reichspropagandaministers wurde nach 1945 - und wird auch heute noch - immer wieder zitiert, um zu beweisen, dass die Josefstadt die Zeit des Nationalsozialismus nicht nur politisch unbelastet überstanden habe, sondern dass dieses Theater auch ein höchst gefährdeter Ort des Widerstandes gewesen sei.

Die auf dem Goebbels-Zitat basierende Argumentation allerdings hält der genaueren Überprüfung, so wie sie in einem der Beiträge in der Josefstadt-Dokumentation durchgeführt wird, nicht stand. Denn erstens ist das Zitat, von dem wiederholt behauptet wurde, es finde sich in den Goebbels-Tagebüchern, nirgendwo in den Schriften des Nazibonzen nachzuweisen; und zweitens wurde und wird der Ausspruch vom "KZ auf Urlaub" sozusagen als Entlastungsbeweis nicht nur für das Theater in der Josefstadt verwendet, sondern auch für das Deutsche Theater in Berlin.

Josefstadt-Direktor Heinz Hilpert

Was die beiden Bühnen verbindet, ist die Person von Heinz Hilpert. Der Regisseur war ab Mitte der 1920er Jahre enger Mitarbeiter von Max Reinhardt in Berlin. 1934 wurde Hilpert - nachdem Reinhardt ins Exil vertrieben worden war - von den Nationalsozialisten als Nachfolger von Reinhardt zum Intendanten des Deutschen Theaters gemacht, von 1938 bis 1945 leitete er dann zusätzlich auch das Theater in der Josefstadt.

Trotz seiner engen Beziehungen zu den Nationalsozialisten konnte sich Heinz Hilpert nach 1945 sehr rasch wieder in der deutschsprachigen Theaterszene etablieren. Bis vor zwei Jahren war auf der Josefstadt-Website nicht nur das Goebbels-Zitat zu lesen, sondern es wurde auch Hilpert gerühmt als derjenige, der "die Josefstadt über die Hitlerzeit gerettet" habe. Bemerkenswert sei, so meint die Wiener Theaterwissenschaftlerin und Mitherausgeberin des Josefstadt-Buches Birgit Peter, dass Hilperts Rolle im NS-Kulturleben nie hinterfragt wurde. Sie meint, dass Hilpert durch seine Theaterarbeit die Goebbelsche Kulturpolitik wirklich unterstützt habe.

Diese Unterstützung der NS-Kulturpolitik leistete Heinz Hilpert durch eine Reihe von programmatischen Schriften, in denen er sich mit der Rolle des Theaters im Nationalsozialismus beschäftigte. "Seine Theaterästhetik stimmt mit nationalsozialistischen ästhetischen Vorstellungen überein", so Hilpert, aber die "elitäre Richtung, um international zu zeigen, dass die Deutschen keine Barbaren seien, sondern sozusagen nationalsozialistische Weltbürger.

In nationalsozialistischer Hand

Eröffnet wurde die Direktionszeit Heinz Hilperts im Theater in der Josefstadt mit Shakespeares "Wie es euch gefällt". Shakespeare gehörte zu den Standards in Hilperts Spielplan, der auf Klassiker setzte, unter anderem eine Hebbel-Woche veranstaltete, eine Reihe von Salonkomödien (so etwa von Kurt Goetz und Axel von Ambesser) im Programm hatte und auch typisch "Wienerisches" brachte - wie zum Beispiel Martin Costas Lustspiel "Hofrat Geiger", mit dem das Theater dann auch nach Kriegsende wieder eröffnet wurde.

Heinz Hilpert übernahm die Direktion des Theaters in der Josefstadt im August 1938. Aber bereits unmittelbar nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland im März 1938 war der damalige Direktor Ernst Lothar von der - wie Lothar sie später bezeichnete - "nationalsozialistischen Zelle des Theaters" aus seinem Amt entfernt worden. Diese "nationalsozialistische Zelle" waren die drei Schauspieler Robert Horky, Robert Valberg und Erik Frey, die bereits seit 1934/35 als illegale Nationalsozialisten tätig waren und die nun die Leitung des Theaters übernahmen.

Ideologien mitproduziert

Das Theater in der Josefstadt gilt als Inbegriff der typisch "österreichischen" Theaterkultur - und dieses Image hängt, so Birgit Peter, stark mit einer politischen Vereinnahmung zusammen. Diese begann bereits vor den Nationalsozialisten unter den Direktionen von Max Reinhardt und Ernst Lothar.

Das Theater in der Josefstadt habe sich - wie andere auch - instrumentalisieren lassen, um gesellschaftsrelevante Ideologien mitzuproduzieren bzw. gesellschaftlichen Konsens herzustellen mit der staatstragenden Ideologie, so Peter, egal "ob Austrofaschismus, Nationalsozialismus und nach 45 diese österreichische Konsenspolitik der Stunde Null".

Service

Gerald M. Bauer, Birgit Peter (Hg.), "Das Theater in der Josefstadt. Kultur, Politik, Ideologie für Eliten?", LIT Verlag

LIT Verlag - as Theater in der Josefstadt