Stimmung aufgeheizt- Ausschreitungen befürchtet
Kenia: Abstimmung über neue Verfassung
In Kenia hat die Abstimung über die neue Verfassung begonnen. Es wäre die größte politische Reform seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1963. Der Präsident soll wieder Staats-und Regierungschef sein, aber mit weniger Machtbefugnissen. Nach heftigen Debatten für und wider die Verfassung befürchtet man Zusammenstöße.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 04.08.2010
Neue Verfassung: Zehn Jahre Streitpunkt
Befürworter der neuen Verfassung wie auch Gegner vertreten ihre Meinungen vehement. Es überrascht nicht, dass die Stimmung in den Tagen vor der Abstimmung aufgeheizt ist. Denn es wird über diese Verfassungsreform seit mehr als zehn Jahren gestritten. Zwei Lager haben sich gebildet, die Grünen sind für die neue Verfassung, die Roten dagegen.
Präsident mit weniger Machtbefugnissen
Konkret sieht der Verfassungsentwurf eine Rückkehr zum reinen Präsidialsystem vor, wenn auch in abgeschwächter Form. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft, der Präsident heißt wieder Staats- und Regierungschef, aber seine Macht soll drastisch eingeschränkt werden. Alle von ihm ernannten Minister, Staatsekretäre, Botschafter und Justizbeamte müssten vom Parlament bestätigt werden. Das künftig aus zwei Kammern bestehende Parlament soll den Präsidenten absetzen dürfen.
Despotischer Ex-Präsident gegen Neuerung
Und auch bei der Landverteilung hat künftig eine Kommission das Sagen und nicht der Präsident. Genau in diesem Punkt scheiden sich die Geister. Die Landreform, das wahrscheinlich wichtigste Vorhaben in der neuen Verfassung, lässt einen fast schon vergessenen Präsidenten wieder die politische Bühne betreten. Daniel Arap Moi. 24 Jahre lang hat Arap Moi Kenia despotisch regiert. Jetzt kämpft der ehemalige Präsident erbittert gegen die neue Verfassung. Denn durch die Landreform könnte er jene großen Ländereien verlieren, die er sich illegal aneignet hat. Ihm zur Seite steht Erziehungsminister William Ruto.
Minister "verunsichert" Wähler
Ruto will seinen Anhängern weismachen, dass man ihnen ihr Land wegnehmen will. Auch er verfolgt ein rein persönliches Ziel. Er möchte mit seinem Engagement gegen die neue Verfassung auf sich aufmerksam machen. Er hofft, nach den Wahlen in zwei Jahren die Nachfolge von Präsident Mwai Kibaki anzutreten.
Kibaki selbst gebärdet sich als großer Verfechter der neuen Verfassung. Er erklärt: "Der amtierende Präsident ruft die 12,6 Millionen Kenianer zu Ruhe und Ordnung auf. Zum Zeichen des Friedens sollten sie einander nach Abgabe ihrer Stimme umarmen."
Kofi Anan versöhnte Erzfeinde
Es ist offensichtlich, dass Kibaki als Vater der neuen Verfassung in die Geschichtsbücher eingehen möchte. Sozusagen als großer Versöhner, denn immerhin hat er mit seinem Erzfeind, dem derzeitigen Ministerpräsidenten Raila Odinga Frieden geschlossen. Das ist jener Mann, der ihm vor drei Jahren den Wahlsieg streitig machen wollte. Bei Unruhen kamen damals 1500 Menschen ums Leben. Dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan ist das Kunststück gelungen, aus den Rivalen Verbündete zu machen.
Wie lange hält die Allianz?
Die Allianz hat bis heute gehalten. Gemeinsam mit Kibaki rührt Odinga die Werbetrommel für die neue Verfassung. In einem Interview mit dem Fernsehsender Euronews schließt er eine eigene Kandidatur bei den Präsidentenwahlen 2012 nicht aus. Raila Odinga denkt, so wie die anderen Proponenten beim Verfassungsreferendum, an die Zukunft. Vor allem an die eigene.