Jugendliche, die Sexualität und das Internet

Generation Porno

Knapp die Hälfte aller Jugendlichen hat einen Zugang zum Internet und damit auch zu Pornografie. Wie reagieren Teenager auf den expliziten Sex - verroht da eine ganze Generation gefühlsmäßig? Diese Fragen versucht der Journalist Johannes Gernert zu beantworten.

Am späten Abend, wenn Carl sicher ist, dass seine Eltern schlafen, setzt er sich (...) vor seinen Laptop und tippt (...) youporn.com in das Browserfenster. Auf dem schwarzen Hintergrund steht in grauer Schrift, dass man 18 Jahre sein muss, um die Seite anzusehen. Carl ist 15, er besucht (...) ein Gymnasium in Lüneberg. Er versteht den Hinweis, er weiß, dass er eigentlich noch drei Jahre warten müsste, bis das, was er gleich tut, legal ist. (...) Er ignoriert die Warnungen jedes Mal. Dann kommen die Bilder.¬

Ende 2009 listet die Suchmaschine Google unter dem Suchwort "free porn" mehrere Millionen Treffer auf. Knapp die Hälfte der Jugendlichen hat mittlerweile einen eigenen Internetzugang. Eine Studie der Jugendzeitschrift "Bravo" befragte 2009 Schülerinnen und Schüler zum Thema "Internetpornographie" - der Studie zufolge hatten 79 Prozent der Befragten 14- bis 17-jährigen bereits Kontakt mit Pornographie. Allerdings behaupten nur acht Prozent der Jungen und ein Prozent der Mädchen, solche Pornoclips regelmäßig anzuschauen.

Pornopanik im 21. Jahrhundert

Mit dem Internet ist der Zugang zu Pornographie wesentlich leichter geworden. Eltern und Lehrer reagieren meist hilflos und mit Befürchtungen, dass die Pornographie konsumierenden Jugendlichen verrohen würden, dass sie ein völlig falsches Bild von Sexualität erhielten.

Im Sommer 2009 sind im Ersten Deutschen Fernsehen junge Menschen zu sehen, von denen manche einen seltsam stumpfen Blick haben. Sie erzählen vom vielen Sex, den sie haben, von Missbrauch, von Vergewaltigungen - und von Pornos. (...) Über die Antibabypille diskutiert heute niemand mehr, höchstens über die Pille danach. Die Panik des 21. Jahrhunderts ist eine Pornopanik.

Objektivität statt Panik

Panik allerdings ist ein schlechter Ratgeber. Und das Wissen der Erwachsenen um die Internetwelt ihrer Kinder ist leider erschreckend gering. Der deutsche Journalist Johannes Gernert hat sich in seinem Buch mit den Lebenswelten junger Menschen befasst. Er versucht eine objektive Darstellung der "Generation Internet" und erläutert, wie Kinder und Jugendliche trotz des Überangebots an pornographischen Inhalten im Internet, aber etwa auch in den Texten bekannter Rapper, eine normale sexuelle Entwicklung durchlaufen können.

Gernert hat gründlich recherchiert, mit vielen Jugendlichen gesprochen, sich die - deutsche - Gesetzeslage genau angeschaut und sich über Sexualaufklärungsprogramme an Schulen informiert. Das Ergebnis ist ein spannend zu lesendes Buch, das dem über die Medien gehypten Bild der "Generation Porno" ein differenziertes Bild entgegen stellt.

Jugendliche, für die Sex und Liebe nicht zwangsläufig aneinander gekoppelt sind, schauen eher Pornos. Für die meisten Jugendlichen (...) gehören Sex und Liebe weiterhin zusammen. Ganz viele wollen die große Liebe treffen, sie wollen heiraten, sie wollen ein Haus im Grünen haben, sie wollen einen Hund haben und zwei Kinder.

Stabile Persönlichkeit schützt

Im Zuge seiner Recherchen stellte Gernert immer wieder fest, dass vor allem jene Jugendlichen intensiv Internetpornographie bis hin zu Gewaltpornographie konsumieren, denen es an einem geborgenen Umfeld, an ansprechbaren Bezugspersonen fehlt. Kinder und Jugendliche brauchen Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen, die sie ernst nehmen, denen sie offene Fragen stellen können und die mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren.

Stabile Persönlichkeiten (...) mit einem gesunden Selbstwertgefühl, einem dichten Netz von Freundschaften und Beziehungen und Menschen, die in ihrer Kindheit angemessen gefördert wurden, könnten den Versuchungen der "postmodernen Suchtgesellschaft" widerstehen. Die jedoch, denen diese Eigenschaften fehlen, zählen zur Risikogruppe.

Offenheit statt Dämonisierung

Der Versuch, Internetpornographie zu dämonisieren und zu verbieten, muss scheitern, stellt immerhin die Pubertät eine Zeit der Experimente, des Loslösens von den Eltern und - zumindest versuchten - Akten der Rebellion dar.

Johannes Gernert plädiert für Offenheit, für Gespräche und für Eltern, die über den Internetkonsum ihrer Kinder Bescheid wissen und durchaus auch einmal regulierend eingreifen. Der Autor nimmt dabei sowohl die Eltern, als auch die Lehrer und die Schulbehörden in die Pflicht. Er rät etwa dazu, die Internetgewohnheiten seiner Kinder genau kennen zu lernen, Zugänge auch durchaus zu beschränken und für alle Fragen der Jugendlichen offen zu sein. Für die Schulen fordert Gernert eine offene und differenzierte Sexualaufklärung, die weit über die rein "technischen Erläuterungen" zu Sexualität und Fortpflanzung hinausreichen.

Service

Johannes Gernert, "Generation Porno: Jugend, Sex, Internet", Fackelträger Verlag

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