Tänzerin, Publizistin, Theaterleiterin, Nazigegnerin

Die Wiederentdeckung der Hanna Berger

In Österreich sind in den letzten Jahrzehnten viele verstorbene Künstlerinnen und Künstler postum wiederentdeckt worden. Oft wundert man sich, dass die Betreffenden überhaupt vergessen werden konnten. Das gilt auch für die 1962 verstorbene Hanna Berger - eine der großen Figuren des Modernen Tanzes hierzulande, und profilierte Nazigegnerin.

Kultur Aktuell, 12.08.2010

Ein Buch der Tanzkritikerin Andrea Amort soll den Namen Hanna Berger wieder bekannt machen. Der Text-Bildband im Brandstätter Verlag wurde gestern in Wien präsentiert; und zwar im Burg-Casino am Schwarzenbergplatz, im Rahmen des Impuls-Tanzfestes. Es handelt sich um weit mehr als ein Buch für Tanzinteressierte.

Hanna Berger ist wiederzuentdecken

Das Buch über Hanna Berger schildert nicht nur ein äußerst dramatisches Leben. Es liefert auch ein Zeitbild; und es hält der österreichischen Kulturpolitik vor allem der Nachkriegsjahre einen Spiegel vor. Überhaupt ist der Fall Hanna Berger ist exemplarisch dafür, dass Kompetenz für die Karriere oft weniger zählt als die politische Farbe oder die Clique, der man angehört.

Hanna Berger, Jahrgang 1910, stieg schon in den 1930er Jahren zu einer internationalen Größe des damals so bezeichneten Ausdruckstanzes auf - das stellt die Autorin Andrea Amort im Buch dar: "Und innerhalb der österreichischischen Tanzgeschichte gehört sie sicherlich in dieselbe Reihe gestellt wie Grete Wiesenthal und Rosalia Chladek - eine große moderne Tänzerin und Choreographin. Also sie hat sicherlich einen großen Namen verdient".

Idealistische Kommunistin der ersten Stunde

Die Tänzerin und Choreographin Berger war idealistische Kommunistin der ersten Stunde. In Berlin kreierte sie 1937 ein Solo "Krieger", das den Krieg düster und nicht verklärend darstellte. In der Schweiz erschien unter Pseudonym ein Text mit Sätzen wie "Die Wahrheit ist den Nationalsozialisten immer unangenehm". Die Gestapo fand das Manuskript in Hanna Bergers Berliner Wohnung, als sie dort 1942 verhaftet wurde. Durch äußerst geschickte Verteidigung und Fürsprache prominenter Förderer erreichte sie nach acht Monaten - erstaunlich genug - einen Freispruch.

Hanna Berger konnte sehr gut Klavier spielen und komponierte sogar ein wenig. Sie hatte eine Filmausbildung, und produzierte in den 1950er Jahren die ersten Tanzstücke für das ORF-Fernsehen. 1945 gründete sie das Wiener Kindertheater. Viele der Kinderdarsteller machten später Karriere - wie Christine Ostermayer oder Klaus Löwitsch.

Hanna Bergers "Wiener Kindertheater"

Eine andere Zeitzeugin von damals, Rita Egen-Wein, erinnerte sich bei der Buchpräsentation: "Einige von uns Kindern wären ohne Hanna weiter in den Trümmern herumgestrolcht und an Ecken herumgestanden und hätten Leute angepöbelt. Sie hat uns eingefangen und uns eine schöne Jugend mit Zielen und viel Spaß verschafft".

Nie habe Hanna Berger versucht, ihre Theaterkinder zu kleinen Kommunisten zu erziehen. "Hanna hatte kein einziges von uns Kindertheaterkindern jemals politisch beeinflusst", so Rita Egen-Wein.

Stigmatisiert, weil Kommunistin

Aber wer wie Berger der Kulturpolitik der russischen Besatzungszone zugeordnet wurde, war spätestens in den 1950er Jahren in Wien stigmatisiert, erklärt Andrea Amort.: "Das war für sie sicher nach dem Zweiten Weltkrieg schwierig, Jobs zu bekommen. Ein ähnliches Schicksal wie bei Otto Taussig und anderen - viele bekamen keine Jobs, weil sie kommunistisch orientiert waren".

Das Wiener Kindertheater ging 1949 an Geldmangel zugrunde; und obwohl Hanna Berger an der Musikakademie eine erfolgreiche Tanzpädagogin war, wurde sie dort 1952 entlassen.

Zukunftsweisende Ideen - zu früh

Sie hatte kulturpolitische Ideen wie ein eigenes Haus für Tanz in Wien. Heute gibt es ein solches Haus - aber in den 1950ern war Hanna Berger mit dem Anliegen um Jahrzehnte zu früh dran.

"Da war eine hoch qualifizierte Künstlerin, die genau gewusst hat was sie getan hat - und die hat keinen Gesprächspartner gefunden, was ihre kulturpolitischen Ideen betraf", bedauert Amort, die in ihrem Buch auch das manchmal unberechenbare Temperament und Bergers erotisch freies Leben schildert. Hanna Berger starb erst 51-jährig an einem Gehirntumor.

Service

Andrea Amort, "Hanna Berger: Spuren einer Tänzerin im Widerstand", Brandstätter Verlag

Brandstätter Verlag - Hanna Berger