AMS stockt Lehrwerkstätten auf

Betriebe bilden zu wenige Lehrlinge aus

Immer weniger Jugendliche, die eine Lehre beginnen wollen, finden eine Stelle in einem Betrieb. Stattdessen springt immer öfter der Staat mittels des Arbeitsmarktservice (AMS) ein. In eigens eingerichteten Lehrbetrieben werden jene aufgefangen, die in der Wirtschaft keine Lehrstelle finden. Das AMS wird die Zahl dieser "überbetrieblichen Ausbildungsplätze" im Herbst erneut aufstocken.

Morgenjournal, 17.08.2010

1.500 Plätze mehr

Wie viele junge Menschen im Herbst keine Lehrstelle haben werden, weiß man beim AMS noch nicht. Trotzdem bereitet man sich schon auf den schlimmsten Fall vor, indem die Zahl der überbetrieblichen Ausbildungsplätze im Herbst um 1.500 erhöht wird.

14.000 insgesamt

Diese Ausbildungsplätze sind Auffangbecken. Junge Menschen können in diesen künstlichen Lehrbetrieben eine vollständige Lehre abschließen. Oder sie absolvieren nur einen Teil der Lehre dort und werden dann an einen Betrieb weitervermittelt. Ab Herbst stehen damit fast 14.000 solcher Plätze zur Verfügung. In den letzten Jahren hat das AMS die Zahl dieser Stellen konstant erhöht.

Zu wenige Lehrstellen in Betrieben

Dieses Geld ist offenbar notwendig. Die Statistik zeigt: In den letzten zweieinhalb Jahren waren in keinem einzigen Monat ausreichend Lehrstellen vorhanden. In Niederösterreich etwa finden nur noch drei von vier Jugendlichen eine Lehrstelle in einem Betrieb. Stattdessen scheint man sich auf die Ausbildungsgarantie zu verlassen. Diese besagt, dass jeder Jugendliche, der keine Lehrstelle in der Wirtschaft findet, Anspruch auf einen Platz in der überbetrieblichen Ausbildung hat.

Demografische Entspannung

In den kommenden Jahren soll sich die Situation für Lehrstellen-Suchende laut AMS verbessern. Das liegt allerdings nicht an der steigenden Bereitschaft in den Betrieben, Lehrlinge aufzunehmen. Stattdessen wird die Zahl der jungen Menschen zwischen 15 und 19 Jahren sinken, das spürbare Resultat der geburtenschwachen Jahrgänge. Für die Jugendlichen der Zukunft steigen also die Chancen deutlich, eine Lehrstelle zu finden. Für all jene, die jetzt keinen Platz finden, ist das allerdings kein Trost.

"Ein Auftrag an die Gesellschaft"

Der Leiter des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, im Morgenjournal-Gespräch am 17.08.2010 mit

"200 Mio., die man sich leisten muss"

Die Lehrwerkstätten seien keine statistische Schönung, versichert der Leiter des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf im Ö1-Morgenjournal-Gespräch. Die jungen Menschen bekämen tatsächlich eine sehr gute, umfassende Ausbildung in top-ausgestatteten Werkstätten. Die Kosten von fast 200 Millionen Euro pro Jahr müsse man sich leisten, junge Menschen seien die wichtigste Zielgruppe der Arbeitsmarktpolitik. In diesen Lehrwerkstätten könne man auch auf schwächere Jugendliche eingehen - die Lehrschwächen hätten oder erst von der Persönlichkeit her stabilisiert werden müssten. Das sei aber auch ein Auftrag an die Gesellschaft, so Kopf. Betriebe würden auch mehr Lehrlinge aufnehmen, wenn sie mehr junge Leute finden, die "ordentlich lesen, schreiben und rechnen" können. Der AMS-Leiter nimmt die Wirtschaft gegen Vorwürfe in Schutz, sie stehle sich aus der Verantwortung. Es sei keine Rede davon, dass die betriebliche Lehre nicht funktionieren würde. Und wenn nun mit dem beginnenden Aufschwung die Betriebe wieder mehr ausbilden, dann erspare das der Allgemeinheit Kosten, hofft Kopf.

Wirtschaftskammer weist Vorwürfe zurück

Dass viele Jugendliche keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, daran ist laut Wirtschaftskammer die schlechte Wirtschaftslage schuld. Die Betriebe litten noch immer unter der Krise, daher musse auch die Ausbildung eingeschränkt werden, sagt Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer. Außerdem seien die Jugendlichen schlecht ausgebildet, wenig flexibel und wenig mobil.

Mittagsjournal, 17.08.2010

"Interessenten selber schuld"

Thema mangelnde Flexibilität: Der Großteil der Jugendlichen entscheidet sich noch immer für eine kleine Auswahl von Berufen: Bei den Mädchen sind die Top drei: Verkäuferin, Friseurin oder Bürokauffrau. Bei den Burschen Automechaniker, Installateur oder Elektroinstallateur. Zur Auswahl stünden insgesamt 250 Lehrberufe.

Thema mangelnde Mobilität: Viele der Lehrstellen-Suchenden seien laut Hochhauser nicht bereit, für eine Lehre auch den Wohnort zu wechseln, etwa vom Burgenland nach Salzburg.

Thema mangelnde Qualifikation: Gut ausgebildete Jugendliche wollen seltener eine Lehre beginnen, sondern besuchen lieber eine mittlere oder höhere Schule.

Für freie Lehrplätze bleiben laut Hochhauser also jene Jugendlichen übrig, die nicht das nötige Können für eine anspruchsvolle Lehre haben.