Mehr als 50 Tote

Selbstmordanschlag in Bagdad

Die Gewalt im Irak nimmt vor dem anstehenden Truppenabzug der US-Soldaten wieder zu. Dienstagfrüh hat sich ein Selbstmord-Attentäter in der Menschenmenge vor einem Rekrutierungsbüro der irakischen Armee in Bagdad in die Luft gesprengt. Es gibt mehr als 60 Tote und über 125 Verletzte. Als Urheber wird eine Al-Kaida-Gruppe vermutet.

Mittagsjournal, 17.08.2010

Mitten in der Menschenmenge

Der Attentäter sprengte sich mitten unter einer großen Gruppe von Rekruten im Zentrum von Bagdad in die Luft. Sie hatten sich vor dem früheren Verteidigungsministerium versammelt, das nun das Hauptquartier der 11. Division ist. Jede Woche melden sich dort rund 250 Rekruten. Doch dieses Mal hatten sich vor dem Gebäude bis zu 1.000 Rekruten versammelt, weil am Dienstag die Bewerbungsfrist ablaufen sollte.

Die irakischen Streitkräfte suchen derzeit weiter nach neuen Soldaten, um sich auf den bevorstehenden Abzug der US-Truppen vorzubereiten. Bis Ende August werden alle bis auf 50.000 US-Soldaten den Irak nach sieben Jahren Krieg verlassen haben. Der Rest folgt bis Ende kommenden Jahres.

Regierungsbildung in weiter Ferne

Die Aufständischen sehen ein weites Betätigungsfeld. Sie wollen das schon jetzt bestehende Machtvakuum nutzen - für vermehrte Anschläge und um sich poltischen Einfluss zu verschaffen. Denn der Irak hat seit den Parlamentswahlen im März noch immer keine neue Regierung, und seit gestern ist die Bildung eines neuen Kabinetts überhaupt in weite Ferne gerückt: Die Irakija, das säkulare Bündnis des ehemaligen Regierungschefs Ijad Allawi, hat die Koalitionsverhandlungen mit der Rechtsstaatsallianz um den amtierenden Ministerpräsident Nuri al-Maliki abgebrochen, weil der Schiit Al Maliki dem Bündnis Allawis vorgeworfen hatte, nur die Interessen der Sunniten zu vertreten. Dass die Irakija, die sich als religiös überparteilich betrachtet, das als Beleidigung auffasst, war zu erwarten. Sie will ohne eine Entschuldigung des amtierenden Ministerpräsidenten nicht weiterverhandeln.
Der wirklich zentrale Streitpunkt bei den Koalitionsgesprächen aber ist die Frage, wer künftig das Amt des Regierungschefs übernehmen soll, Al Maliki oder Allawi.