Filmfestival als Reaktion auf die Krise

Eine Viennale mit viel Humor

Am 20. August 2010 gab Festivalleiter Hans Hurch erste Einblicke in das Programm des am 21. Oktober beginnenden Wiener Filmfestivals Viennale. Die große, gemeinsam mit dem Filmmuseum präsentierte Retrospektive wird dem französischen Regisseur Eric Rohmer gewidmet sein und ab dem 7. Oktober laufen.

Kulturjournal, 20.08.2010

Unbewusste Schwerpunkte

An die 140 Langfilme werden bei der Viennale zu sehen sein, wobei sich -ganz unbewusst, wie Hans Hurch meint - verschiedene thematische Schwerpunkte ergeben hätten. So handelt fast jeder zweite Film von Heranwachsenden, von Menschen zwischen 15 und 25, die sich ihren Platz in der Familie, in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt suchen müssen.

Hans Hurch hat eine mögliche Erklärung für das Phänomen: "Vielleicht ist es eine Reaktion auf die Krise, nicht die Krise zu beschreiben, sondern die Lebensverhältnisse zu überprüfen: Wie kann man überhaupt leben, ökonomisch überleben, eine Ausbildung haben, seinen eigenen Dingen nachhängen?"

Viel Humor

Im heurigen Programm sind außergewöhnlich viele Komödien zu finden, wobei die Spielarten von Humor so breit gefächert sein dürften wie schon lange nicht mehr. Von Klassikern wie Woody Allen - sein neuer Film "You will meet a tall dark stranger" wird zu sehen sein - bis zu filmischen Neulingen wie dem Grafitti-Künstler Banksy, der einen selbstironischen Blick auf die Entwicklung der Street-Art-Szene wirft, reicht die Spannweite.

Neue Wege beschreitet laut Hans Hurch auch der diesjährige Locarno-Gewinner, der Chinese Li Hongqi: "Ich finde 'Winter Vacation' ist einer der ersten chinesischen Filme, der wirklich einen ganz trockenen Humor hat, den man so nicht kennt. Da ist es so, dass der Witz immer um ein paar Sekunden zu spät kommt und dadurch noch besser oder noch interessanter wird."

Dokumentationen und Kurzfilme

Dass dem Dokumentarfilm besonders viel Raum gegeben wird, ist schon ein Standard im Viennale-Programm, dieses Jahr wird aber auch große Aufmerksamkeit auf eine andere filmische Randsparte gerichtet: Mehr als doppelt so viele Kurzfilme wie letztes Jahr werden zu sehen sein, darunter auch ein Special zum österreichischen Experimentalfilmer Siegfried A. Fruhauf.

Neben diesen ausgewiesenen Kurzfilmern nutzen aber auch arrivierte Langfilmregisseure die Besonderheiten des Mediums. Unter anderem wird der überstrapazierte Begriff "Meisterwerk" hinterfragt. "Luc Moullet demontiert diese Idee innerhalb von zehn Minuten auf eine so unglaubliche witzige Weise, indem er zum Beispiel sagt, welche Sachen früher Meisterwerke waren, die heute keiner mehr kennt und umgekehrt. Er rückt einfach Dinge zurecht, dass es einem nachher nicht mehr so leicht fällt, den Begriff Meisterwerk zu verwenden", meint Hans Hurch.

Tributes als Starthilfe

Wie so oft sind es bedeutende Unbekannte, denen die Viennale mit ihren Tributes zu mehr Aufmerksamkeit verhilft. Larry Cohen war etwa mit Mitte zwanzig bereits als Drehbuchautor erfolgreich - zu seinen Bewunderern zählte damals etwa Alfred Hitchcock. Dann nahm er selbst im Regiestuhl Platz und schuf einen eigenwilligen Stil, weil er zwar Genres wie Horror-, Gangster- oder Science-Fiction-Film bediente, dabei aber ein sehr feines Gespür für Soziales zeigte und seine Figuren genau in der Gesellschaft verortete.

In diesem Zusammenhang sei es kein Wunder, dass ein politischer Wechsel Cohen schwer zu schaffen machte, meint Hans Hurch: "Eigentlich war Reagan der größte Feind von Larry Cohen - in diesem Paradigmenwechsel in Hollywood mit den großen Spielbergs und so weiter war für diese Form von Kino nichts mehr übrig."

Das andere Tribute gilt dem französischen Kameramann William Lubtchansky, der mit Regisseuren wie Jacques Rivette, Jean-Luc Godard oder Agnes Varda arbeitete. Der im Frühjahr verstorbene Lubtchansky zeichnete sich nicht durch eine auffallende persönliche Handschrift aus, sondern auch durch eine ungeheure Präzision, mit der er den Ideen seiner Regisseure zu Bildern verhalf.

Als Gäste wird die Viennale den Briten Mike Leigh und den heurigen Cannes-Gewinner, den Thailänder Apichatpong Weerasethakul, begrüßen. Letzterer wird auch für den neuen Trailer des Filmfestivals verantwortlich sein. Welche großen Stars erwartet werden, ist noch ein Geheimnis.

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