Förderung von Komponistinnen

Ostseefestival in Stockholm

Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau geht auch am Ostseefestival nicht ungehört vorüber. Die achte Ausgabe des größten Festivals für sinfonische Musik im Ostseeraum widmet sich der Förderung des weiblichen Nachwuchses aus Schweden im Bereich Komposition.

Daneben verbinden die Stardirigenten Esa-Pekka Salonen aus Finnland und Valery Gergiev aus St. Petersburg sowie Ricardo Muti mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks die verschiedenen Ostseeanrainer musikalisch.

Kulturjournal, 24.08.2010

Interessen weiterentwickeln

Schwedisch-finnisch begann die achte Ausgabe des Ostseefestivals. Der finnische Stardirigent Esa-Pekka Salonen dirigierte die Premiere des neu geschaffenen Schwedischen Jugendsinfonieorchesters. Gegründet von der privaten Musikakademie "Kleine Akademie" in Stockholm, soll es jungen Musikern im Alter von 15 bis 25 Jahren die Möglichkeit geben, sich für den Ernstfall zu rüsten, sagt die künstlerische Leiterin des Ensembles, die Musikdozentin Nina Balabina:

"Für junge Musiker ist es Herausforderung und Inspiration zugleich, in solch einem Orchester zu spielen, das von den besten Dirigenten geleitet wird. Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, sich hier zu erproben und ihr Interesse bis hin zur Professionalität weiterzuentwickeln. Schweden ist ein großes Land und manchmal hat man den Eindruck, dass jede Hochschule und jedes Orchester im eigenen Saft schmort, es kommt sogar vor, dass wir gegeneinander arbeiten."

Kaum Gleichstellung bei Orchestern

Einen gemeinsamen Klang präsentierten die jungen Musiker überzeugend mit Werken des schwedischen Romantikers August Söderman und der Gegenwartskomponistin Andrea Tarrodi, Jahrgang 1981.

Dass in diesem Jahr verstärkt junge weibliche Komponisten beim Ostseefestival zu Gehör kommen, kommt nicht von ungefähr: Schweden wird gern als Vorzeigeland in Sachen Gleichstellung präsentiert, doch im Bereich der Orchestermusik gibt es noch einiges zu tun, sagt Hans Rodell, Programm-Mitarbeiter des Konzerthauses, in dem das Festival stattfindet:

"Wenn ich an unser Orchester in der Berwaldhalle denke, kann ich konstatieren, dass wir fast gleichgestellt sind, männliche und weibliche Musiker halten sich in etwa die Waage. Bei den Dirigenten wird es schon enger. Richtig schlecht waren wir viele Jahre auf der Komponistenseite; es gab eine Saison da hatten wir nicht ein einziges Stück einer Komponistin im Programm."

"Hassliebe" zu Mahler

Britta Byström, Jahrgang 1977, ist eine von vier Frauen, die den Auftrag bekommen haben, musikalische Kommentare zu Werken von Mahler, Chopin und Pärt abzugeben. Schon mit 16 gewann die Nordschwedin ihren ersten Kompositionswettbewerb, im Frühjahr widmete ihr das Stockholmer Konzerthaus ein zweitägiges Komponistenporträt.

Ihre mystische Komposition für Orchester "Ausflug ins Unbekannte" erhielt gute Kritiken. Beim Festival wird ihre Ouvertüre zu Mahlers 3. Sinfonie uraufgeführt:

"Mahlers Dritte ist ein unglaublich reichhaltiges Werk", meint Britta Byström. "Mit dem Komponisten selbst verbindet mich allerdings eine Hassliebe. Ich kann mich nicht für ihn erwärmen, andererseits kommt man nicht an ihm vorbei, denn er hat einen großen Einfluss auf Komponisten. Ich habe seine Partituren genau studiert und versucht, ein Stück für mich herauszubrechen, aus dem etwas Neues entsteht. Da bin ich auf das Oboenmotiv im 4. Satz gestoßen."

"Kulturelle Identität"

Ob es einen gemeinsamen Nenner gibt für Musik aus dem Ostseeraum, hält Britta Byström für fraglich. Vielleicht für die ältere klassische Musik, wo man mit dem Ausdruck "französische Musik" sofort ein Klangbild im Kopf hat.

Esa-Pekka Salonen, der das Festival 2003 mit seinem Kollegen Valery Gergiev vom Marinsky-Theater in St. Petersburg gegründet hat, sieht jedoch Gemeinsamkeiten. Die raue nordische Natur habe einen ganz eigenen Klang hervorgebracht, sagt der finnische Dirigent, für den die Zusammenarbeit im Ostseeraum in den letzten Jahren eine stärkere Rolle gespielt hat:

"Je älter ich werde, desto stärker interessiere ich mich für meine kulturellen Wurzeln und meine kulturelle Identität", sagt Salonen. "Die Ostsee ist ein wichtiger Teil davon. Für mich als Finnen ist St. Petersburg die nächste große Metropole – gerade einmal 350 Kilometer entfernt. Während der Sowjetzeit war sie sehr weit weg, psychologisch gesehen. Aber jetzt ist sie wieder da, und jedes Mal, wenn ich nach St. Petersburg komme, merke ich, wie viel wir gemeinsam haben."

Doch von der gemeinsamen Musik ist diesmal leider herzlich wenig zu hören. Vor allem bekannte Kompositionen und Orchester aus Schweden und Finnland dominieren das Programm. Gerade einmal zwei Abende widmen sich der Musik aus den baltischen Ländern. Der Chor des lettischen Rundfunks präsentiert zwei Programme mit Werken baltischer Komponisten. Darunter jedoch auch Vertreter der jüngeren Generation.

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