Frankreich gab Geld für Ausreisewillige
EU wird Ausweisung von Roma prüfen
Die EU-Kommission will sich mit der Ausweisung von Roma aus Frankreich nach Bulgarien und Rumänien befassen. Die zuständige Kommissarin Viviane Reding wird nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub "eine politische und rechtliche Analyse" des französischen Vorgehens vorlegen. Die Rechtslage sei kompliziert. Frankreich erläutert indes sein Vorgehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 26.08.2010
Besorgnis über Diskriminierung
Nach Kritik an ihrer Abwesenheit in dieser heiklen politischen Angelegenheit hat Viviane Reding eine lange schriftliche Stellungnahme geschickt: Die Roma seien ein wichtiger Teil der europäischen Bevölkerung. Sie beobachte mit großer Aufmerksamkeit und einiger Besorgnis die Entwicklung in den vergangenen Tagen in Frankreich. Reding bedauert in der Aussendung auch die offen diskriminierende Wortwahl in einigen Mitgliedstaten.
Geld für Ausreisewillige
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte nach Konflikten und Ausschreitungen im Juli die Schließung von 300 Roma-Lagern angeordnet. Mehr als 200 Roma wurden in den vergangenen Tagen in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt. Jeder Ausreisewillige erhielt 300 Euro, 100 Euro extra pro Kind.
Komplizierte Rechtslage
Frankreich ist mit dieser harten Politik auch in Brüssel ins Gerede gekommen. Es ist unklar, ob das Vorgehen Sarkozys das EU-Recht verletzt. Denn die Freizügigkeit der EU-Bürger ist eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union. In diesem Fall müsste die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. "Ein sehr kompliziertes Thema", sagt Matthew Newman, Sprecher von Justizkommissarin Viviane Reding. Die Kommissarin ist derzeit auf Urlaub, habe ihre Mitarbeiter aber beauftragt, die Entwicklung genau zu verfolgen. "Die Kommissionsbeamten arbeiten an all diesen Fragen, der Bericht wird kommende Woche fertig sein", so Newman.
"Freiwillige Heimkehr"
Frankreichs Premierminister François Fillon hat inzwischen einen Brief an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verfasst. Darin bietet er an, die nach französischen Angaben, "freiwillige Heimkehr" der Roma nach Bulgarien und Rumänien zu erläutern. Der Brief sei noch nicht eingelangt, sagt Sprecher Newman: "Der Brief wird, wenn er einlangt, von Viviane Reding beantwortet."
Sondertreffen geplant
Frankreich will die Roma-Politik Anfang September bei einem Sondertreffen mit einer handverlesenen Zahl von EU-Ministern diskutieren. Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Italien und Spanien sollen am Tisch sitzen. Dem Vernehmen nach wurde auch Belgien, amtierendes Vorsitzland, eingeladen. Die Kommission ist nicht mit von der Partie: "Wenn wir über Roma sprechen, sprechen wir über Gesundheits-, Arbeits-, und Bildungspolitik. Es hat den Anschein, dass Frankreich jetzt anerkennen würde, dass für diese Bereiche die Staaten zuständig sind."
Kampf gegen Armut
Die Roma-Frage ist vor allem ein gesellschaftspolitisches Problem. Zehn Millionen Roma leben in Europa. Die meisten davon unter der Armutsgrenze, ungebildet und chronisch krank. Dass Bildung und Armutsbekämpfung auch Angelegenheiten der EU sind, hat EU-Kommissionspräsident Barroso im März betont. Im Frühjahr hat er seine Wirtschaftsstrategie EU 2020 vorgestellt. Ein wesentlicher Teil davon widmet sich der Armutsbekämpfung und Bildungsfragen. Innerhalb von zehn Jahren soll es in Europa 20 Millionen weniger Arme geben. Derzeit sind 80 Millionen Europäerinnen und Europäer von Armut bedroht, davon 19 Millionen Kinder.