Neuer Roman von Douglas Coupland

Generation A

Ein anderer Autor hätte aus so einer Geschichte wohl einen packenden Umweltthriller geschrieben. Einen, in dem sich die Ereignisse überschlagen und der Leser das Buch nicht weglegen kann, bis er endlich die letzte Seite gelesen hat. Nicht so Douglas Coupland.

Sein neuer Roman spielt irgendwann in der nahen Zukunft. In einer Zukunft, die sich über weite Strecken so anfühlt wie die Gegenwart. Der große Unterschied zum Hier und Jetzt. Die Bienen sind ausgestorben. Niemand weiß genau, warum. Nur so viel ist klar: Es ist wohl die Folge irgendeiner Umweltkatastrophe.

Doch plötzlich werden rund um den Globus fünf Personen von Bienen gestochen. Da ist zum Beispiel Zack aus Iowa, der Mais anbaut und sich ein wenig Geld dazuverdient, indem er mit nacktem Oberkörper in seiner Maschine herumfährt und die Bilder davon via Webcam an zahlungskräftige Kunden überträgt. Dann gibt es Samantha. Sie lebt in Neuseeland und ist gerade äußerst verwirrt, weil ihr ihre Eltern mitgeteilt haben, dass sie an nichts mehr glauben. Der dritte Gestochene heißt Julien. Er lebt in Paris, hasst die Welt und die Menschen und lebt nur in seiner virtuellen World-of-Warcraft-Welt.

Dann treffen wir noch Diana aus Kanada, die am Tourette-Syndrom leidet und von sich behauptet, gerade deswegen immer die Wahrheit über andere zu sagen. Der Fünfte und Letzte ist Harj. Er lebt in Sri Lanka und arbeitet in einem Callcenter für die amerikanische Bekleidungsfirma Abercrombie and Fitch. In seiner Freizeit verkauft er über das Internet MP3s, auf denen nichts zu hören ist. Oder besser gesagt: auf denen man die Stille, die in den Wohnungen berühmte Leute vorherrscht, zu hören bekommt.

Menschen wie Karikaturen

Man sieht schon daran: Coupland will das Außergewöhnliche. Er zeigt uns fünf Menschen, die alle so speziell sind, dass sie wie Karikaturen wirken. Dazu kommt, dass keine Figur als eigenständige Person gezeigt wird. Da ist zum einen Mal die Sprache der Protagonisten, die alle ihre Geschichte in der Ich-Form erzählen. Obwohl sie über die ganze Welt verteilt sind, Männer und Frauen, gibt Coupland keinem Protagonisten einen eigenen Ausdruck; er liefert keine sprachlichen Differenzierungen.

Es könnte natürlich sein, dass die unformierte Sprache bereits eine subtile Kritik an der kulturellen Hegemonie der USA ist - dass eben in der Zukunft alle so sprechen und über die gleichen Dinge sprechen, wie es die Jugendlichen in den Vereinigten Staaten tun. Ich nehme aber eher an, dass Coupland seinen Protagonisten gar keine eigene Sprachfärbung geben will; denn im Grunde - das muss man leider sagen - scheinen ihm seine Figuren herzlich egal zu sein. Er kreiert keine Menschen, sondern Stereotypen. Abziehbilder, deren eigentliche Aufgabe darin besteht, über das Schreiben und die Stimme des Autors zu philosophieren.

Spannung vermieden

Ein englischer Kritiker meinte einmal, Coupland sei wunderbar, wenn er über Technik schreibe, gut darin mit Sprache umzugehen, schlecht darin, seine Figuren mit Leben zu erfüllen und ganz und gar entsetzlich, wenn es darum gehe, einen Handlungsbogen aufzubauen. Und damit ist das Dilemma von "Generation A" auch schon wunderbar auf den Punkt gebracht. Wobei ich mir die Frage stelle, ob Coupland keine Handlung aufbauen kann oder ob er keine aufbauen will. Denn stets beschleicht einen das Gefühl, dass er jede Spannung absichtlich vermeidet. Dass er genau auf den Nicht-Plot hin schreibt.

Dafür lässt er sich lang und breit und mit sichtbarem Genuss darüber aus, wie das Video, das Zack dabei zeigt, wie er mit nacktem Oberkörper Mähdrescher fährt und dabei gestochen wird, innerhalb kürzester Zeit zum meistgeklickten Clip aller Zeiten auf YouTube wird. Und wie die Gestochenen über Nacht zu Stars werden; Groupies werfen sich ihnen zu Füßen, alle wollen ihre DNA haben.

Wiederkehrendes Thema Einsamkeit

Das Problem besteht nun darin, dass das Buch nicht so geschrieben ist, als dass man es als eine witzige Abrechnung mit dem medialen Wahnsinn unserer Zeit lesen könnte. Und leider auch nicht so, dass man unbedingt wissen will, warum denn die Bienen ausgestorben sind, warum denn gerade diese fünf Personen dann doch von einigen Exemplaren gestochen wurden, warum sie unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen von Wissenschaftlern untersucht wurden und was das alles mit der geheimnisvollen Volksdroge Solon zu tun hat. Die nämlich verlangsamt die Wahrnehmung der Zeit, sie nimmt den Stress, nimmt die Angst und lässt die Einsamkeit nicht nur erträglich, sondern geradezu als Ideal erscheinen.

Und hier sind wir dann doch wieder bei Couplands Lebensthema. Denn im Grund drehen sich alle seine Romane um die Einsamkeit. Darum, wie sich Außenseiter suchen und finden, wie sie versuchen, ein wenig weniger alleine zu sein. Und deshalb treffen sich die fünf Protagonisten von "Generation A", nachdem sie von den Forschern wieder freigelassen wurden, dann auch am äußersten Zipfel von Kanada. Und erzählen sich dort Geschichten. Geschichten, die den Leser seltsam unberührt lassen und vor allem eines sind: langweilig.

Service

Douglas Coupland, "Generation A", aus dem Englischen übersetzt von Clara Drechsler und Harald Hellmann, Tropen Verlag

Tropen Verlag - Generation A