Ausstellung in der BAWAG Contemporary

"Street" mit Phyllida Barlow

Jungen zeitgenössischen Künstlern, deren internationaler Durchbruch vielleicht erst bevor steht, eine Plattform zu bieten: Mit diesem Programm ist die BAWAG Contemporary, eine Ausstellungsschiene der BAWAG Foundation, 2008 angetreten.

Kulturjournal, 08.09.2010

Seit Mai dieses Jahres präsentiert sich die BAWAG Foundation, die nunmehr ihr gesamtes Ausstellungsprogramm unter dem Namen BAWAG Contemporary weiterführt, in neuen Räumlichkeiten am Wiener Franz Josefs Kai. In diesen vom Architektenteam "propeller z" gestalteten Ausstellungsräumen findet ab 9. September 2010 die mittlerweile dritte Ausstellung statt. Mit Phyllida Barlow zeigt die BAWAG Contemporary allerdings keine Vertreterin der jüngeren Künstlergeneration, sondern eine in der öffentlichen Wahrnehmung lange unterschätzte Künstlerin aus der Londoner Kunstszene.

Von der Straße in den White Cube

Sperrmüll, Planen, Absperrgitter, Zäune, Schilder: Das Material ihrer Arbeit findet Phyllida Barlow auf der Straße. Die Britin sucht nach profanen Objekten, die den Stadtraum strukturieren und macht sie zu Kunst. Schilder oder Absperrungen zum Beispiel, die dem öffentlichen Raum Ge- und Verbote einschreiben, die uns in eine bestimmte Richtung dirigieren, oder dazu auffordern, einen Ort nicht zu betreten. Phyllida Barlow holt die Straße in den White Cube. Deshalb trägt ihre aktuelle Ausstellung in der BAWAG Contemporary auch den lakonischen Titel "Street". Zu den dort ausgestellten Arbeiten, meint die Künstlerin:

"Es sind vertraute Alltagsobjekte, an denen wir vielleicht täglich vorbeigehen. Aber viele dieser Objekte nehmen wir gar nicht bewusst wahr. Ich interessiere mich dafür, bekannte alltägliche Objekte nachzubilden, um zu sehen, was aus ihnen wird, wenn sie in einen anderen Kontext gestellt werden. In Wien stelle ich zum Beispiel ein großes Rohr aus. Es könnte eine architektonische Säule sein, die umgefallen ist, aber es könnte auch ein Wasserrohr sein, das unterirdisch verlegt wird. Natürlich ist es nichts davon, weil es ein Fake ist: Ich habe diese Form nachgebaut. Und ich hoffe, dass dadurch Objekte mit einer eigenen ästhetischen Dimension entstehen", sagt Phyllida Barlow.

Der politische Aspekt der Straße

Die Zeichen des Stadtraums sind bei Phyllida Barlow nicht bloß ästhetisches Material für die Recyclingmaschine Kunst. Barlow will unseren Wahrnehmungsapparat schärfen, und dem Betrachter etwas darüber erzählen, wie Städte funktionieren. Das ist durchaus auch politisch gemeint. Zum Beispiel wenn es um die viel diskutierte Privatisierung des öffentlichen Raums geht - um abgeschlossene Wohnviertel, Fußgängerzonen, die in der Hand von Handel und Gastronomie sind, oder videoüberwachte Innenstädten.

"Es gibt einen politischen Aspekt der Straße", sagt Phyllida Barlow. "Wie werden wir auf der Straße kontrolliert? Wem gehört die Straße? Wer entscheidet über die Ordnung im öffentlichen Raum? Warum werden Zäune und Barrieren gebaut? Ich interessiere mich sehr dafür, wie der urbane Raum kontrolliert und geordnet wird. Denn wir haben fast keine Möglichkeiten, uns in diesen Prozess einzubringen."

Teil der Londoner Kunstszene

Künstlerische Positionen aus unterschiedlichen Metropolen nach Wien zu holen, das ist eines der erklärten Ziele der BAWAG Contemporary. Mit Phyllida Barlow, Jahrgang 1944, präsentiert die BAWAG Contemporary jetzt eine Künstlerin, die in der Londoner Kunstszene tief verwurzelte ist. Der große internationale Erfolg ist Phyllida Barlow bisher zwar verwehrt geblieben, doch als Professorin an der Slade School of Fine Arts sowie am Royal College of Art hat sie unzählige arrivierte Künstlerpersönlichkeiten geprägt.

Ganze 44 Jahre hat Barlow an den bekannten Londoner Kunstkaderschmieden gelehrt. Viele ihrer Schüler haben sie – zumindest was den Bekanntheitsgrad betrifft – längst überflügelt. Darunter Rachel Whiteread, die unter anderem das Holocaust-Mahnmal am Wiener Judenplatz gestaltet hat. An ihre Lehrtätigkeit erinnert sich die mittlerweile pensionierte Phyllida Barlow gerne:

"Es ist wundervoll, die Entwicklung so vieler großer Künstler und Künstlerinnen mitzuerleben, aber ich interessiere mich auch für jene Studenten, die nicht diesen herausragenden Erfolg gehabt haben. Viele von ihnen sind genauso großartige Künstler. Man sollte nicht vergessen, dass Erfolg ein sehr schwieriges Phänomen ist. Ich glaube, dass Erfolg in der Kunstwelt von heute überbewertet ist. Es gibt viele Künstler, die nicht wahrgenommen werden, aber auch sie verdienen es, sichtbar zu sein", sagt Phyllida Barlow.

Das gilt freilich auch für Phyllida Barlow selbst, die allzu lange auf die Anerkennung internationaler Kunstinstitutionen warten musste. Das ändert sich jetzt: Diesen Juni hat Barlow in der renommierten Londoner Serpentine Gallery ausgestellt. 2011 ist eine Einzelschau im Kunstverein Nürnberg geplant.

Service

Phyllida Barlow, "Street", 9. September bis 21. November 2010, BAWAG Contemporary

BAWAG Contemporary