Abschiebungen sollen weitergehen
Roma: Paris ignoriert EU-Parlament
Das Europaparlament hat Frankreich aufgefordert, die massenhafte Abschiebung von Roma in ihre Heimatländer unverzüglich auszusetzen. Diese Praxis verstoße gegen EU-Verträge und die europäische Menschenrechtskonvention. Doch Paris will trotz dieser und anderer Kritik an seiner Abschiebepraxis festhalten.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 10.09.2010
"Unterwerfen uns keinem Diktat"
Frankreichs Antwort auf die Entschließung des EU–Parlaments ließ nicht lange auf sich warten. Bei einem Besuch in Bukarest, bei dem die französische Seite die rumänische Regierung zu einem Sofortplan zur Integration der Roma im eigenen Land drängen wollte, sprach Immigrationsminister Besson von Lügen und karikaturhaften Darstellungen über Frankreichs Politik gegenüber den Roma. Paris verstoße nicht gegen EU-Verträge und die Menschenrechtskonvention, so Besson, und er wies das Ansinnen des EU-Parlaments empört zurück: "Es steht außer Frage, dass Frankreich die Abschiebung in die Herkunftsländer aussetzt. Frankreich hält das EU Recht und die Gesetze der französischen Republik strikt ein, ebenso Entscheidungen der Justiz. Bei allem Respekt, das Europarlament hat seine Kompetenzen überschritten und wir haben uns natürlich nicht einem derartigen politischen Diktat zu unterwerfen."
Anhaltende Kritik
Frankreichs Sozialisten kritisierten die Reaktion des Immigrationsministers. Sie zeuge von Geringschätzung der Vertreter der europäischen Bürger, demokratische Institutionen verdienten mehr Respekt. Immigrationsminister Besson betonte wie seit Wochen erneut, die meisten Roma kehrten freiwillig in ihre Heimat zurück und auch andere Länder würden Roma abschieben. Was Paris allerdings nicht sagt ist, dass kaum ein anderes westliches EU Land die Roma auf derartige Weise stigmatisiert, ja diese Bevölkerungsgruppe in das Zentrum einer populistisch–repressiven Politik gestellt hat, wie es nach Präsident Sarkozys Rede in Grenoble Ende Juli geschehen ist.
Termin beim Papst
Sarkozy wird zu seiner Politik gegenüber den Roma bereits in Kürze Stellung nehmen müssen und zwar in einem Gespräch mit dem Papst. Benedikt XVI hat nach seinen Äußerungen über die "menschliche Vielfalt" Ende August, die als verschleierte Kritik an der Pariser Politik interpretiert wurden, jetzt wissen lassen, er wünsche Nicolas Sarkozy zu empfangen, Frankreichs Präsident hat für Anfang Oktober zugesagt.
Absurde Abschiebepolitik
Währenddessen sind gestern, um zu unterstreichen, wie unwirksam und absurd die französische Abschiebepolitik in der Praxis ist, drei Roma, deren Abschiebung von den Behörden verfügt ist, in Nordfrankreich über die Grenze nach Belgien spaziert und wenige Minuten später wieder zurückgekommen – begleitet von ihren Anwälten und einem Gerichtsvollzieher. Die erklärten hinterher, die Roma seien der Aufforderung, das Land zu verlassen nachgekommen und als EU-Bürger ganz legal wieder nach Frankreich zurückgekehrt.