Betrachtungen über Fremde und Heimat

Eierschwammerl und Rolling Stones

14 Künstler und Künstlerinnen, die in Österreich leben, nicht aber hier geboren wurden, dokumentieren in dem sogenannten regionale10-Projekt "Fremdsehen" ihre Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung in einigen obersteirischen Orten im Bezirk Liezen.

Auf den Almen des Sölktals

Unterwegs mit der Dolmetscherin, Malerin und Autorin Julya Rabinowitch auf die Schleinhütte im steirischen Naturpark Sölktäler. 14 Tage hat die in St. Petersburg geborene Schriftstellerin oben auf den Almen des Sölktals verlebt, obwohl sie nicht schwindelfrei ist und jede Fahrt auf der serpentinenreichen Forststraße ihr zum Martyrium wird. Einziges Gegenmittel: Musik von den Rolling Stones im Kopfhörer.

Ab und an wirft sie einen Blick aus dem Fenster in das dichte, nasse Grün des Waldes. Auf halber Strecke - mittlerweile ist ihr die Blässe ins Gesicht gestiegen - kommentiert sie ungefragt Relikte aus ihrer Kindheit, die sie entdeckt zu haben scheint: Eierschwammerln.

Draußen beginnt es sich einzuregnen. So ergibt sich zwangsläufig ein zweites Thema: das Wetter. Julya Rabinowitch liebt mäßige Temperaturen: Bei kühlen Temperaturen fühlt sie sich wohl und wenn das Thermometer über 25° C anzeigt, führt sie ein Vampirschattendasein und verlässt ihre Wohnung in Wien erst wieder am Abend.

Fremdsehen

Julya Rabinowitch ist eine von vierzehn Künstlern und Künstlerinnen mit Migrationshintergrund, die im Rahmen des diesjährigen, Regionale10-Projekts ihre Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung der Obersteiermark dokumentierten. Dieses Festival für zeitgenössische Kunstformen im steirischen Bezirk Liezen sollte ungewöhnliche Blicke von Fremden auf das vertraut Heimische eröffnen: Wo entstehen Gemeinsamkeiten, wo bleibt die Fremde unüberwindlich?

"Schad' ums Geld"

Ein pensionierter Limonadenfabrikant aus St. Gallen kann der Aktion nichts abgewinnen.

Ein Afrikaner in St. Gallen

In St. Gallen, einer überwiegend katholischen Ortschaft mit knapp über 1.400 Einwohnern und einem Ausländeranteil von weniger als 3 Prozent, hat der im Kongo geborene Schriftsteller Fiston Nasser Mwanza im Rahmen des Projekts "Fremdsehen" vierzehn Tage verbracht, weitgehend unbeachtet von der ansässigen Bevölkerung.

Allein die Sprachbarriere ist ein Hindernis für die Einheimischen, mit dem kongolesischen Schriftsteller zu reden. Auch die Trafikantin von St. Gallen - die Kommunikationsstelle neben dem Café am Hauptplatz will von dem interkulturellen Projekt nichts mitbekommen haben.

"In keiner der Städte, durch die ich durchgegangen bin, habe ich mich je als Tourist aufgeführt", notiert Fiston Nasser Mwanza in seinem Blog und er schreibt auch, dass er den Tourismus verabscheut. Den Friseursalon Heide hat der kongolesische Schriftsteller abgelichtet und ins Internet gestellt, eine angeschnittene Riesenpizza und ein Landschaftsbild mit Häusern, viel Wiese und Himmel. Bei seiner öffentlichen Abschlusslesung vor dem Cafe am Hauptplatz von St. Gallen sind eine Handvoll angereister Gäste des zeitgleich stattfindenden Festivals für Neue Musik Arcana anwesend und einige Teilnehmer des Projekts "fremdsehen". Die Einheimischen jedoch sind der Veranstaltung fern geblieben.