Den Tanz in der Staatsoper erneuern

Manuel Legris als motivierter Ballett-Leiter

Mit 1. September übernahm Manuel Legris die Leitung des Balletts der Wiener Staatsoper. Seine Saison begann am Montag mit "Onegin" - er hatte sich gerade damit offiziell als Solotänzer des Pariser Opernballetts verabschiedet. Er hat einige Neuerungen vor, deren Implementierung aber noch dauern wird.

Kulturjournal, 14.09.2010

Kein Wien ohne Meyer

Manuel Legris sagt es gerade heraus: "Ohne Dominique Meyer wäre ich nicht nach Wien gekommen, ich sage es ehrlich - aus dem einfachen Grund, dass ich Englisch und Italienisch gelernt habe. Deutsch kann ich nicht, auch wenn ich gerade daran arbeite. Und das sind so diese kleinen Dinge: wenn man in ein Land kommt und die Sprache nicht kann."

Der Tanz als Stiefkind

Ein weiteres Problem sieht er in der Struktur der Oper: "Dazu kommt, dass der Tanz an der Wiener Oper immer stiefmütterlich behandelt worden ist. Aber Dominique Meyer konnte mich überreden, er ist sehr überzeugend, was die Zukunft des Balletts und des Tanzes hier betrifft, und ich vertraue ihm. Ich mag ihn wirklich sehr und deswegen bin ich hier."

Frischer Wind ist notwendig, und viele erwarten, dass Manuel Legris, einer der brillantesten Tänzer des Pariser Opernballetts seiner Generation - er wurde ja schon von Nurejev im zarten Alter von 16 Jahren zum Danseur Etoile ernannt - das Ganze ein wenig entstaubt.

"Um den Tanz hier zu entstauben, wie Sie sagen, muss man vor allem mit Elan an die Sache herangehen, dieses Theater spüren und den Willen haben, die Dinge voranzutreiben. Die Tänzer der Compagnie sind sehr gut, es gibt da absolut kein Qualitäts - oder Talenteproblem. Jetzt geht es nur darum, dass die Tänzer an sich selbst glauben, und dass man gewissermaßen als Trampolin fungiert, um sie ins Rampenlicht zu stellen", so Legris.

Viele Aufgaben

Mit der Leitung des Opernballetts hat Manuel Legris automatisch noch weitere Aufgaben übernommen: Er ist auch für das Volksopernballett und die Balettschule der Oper verantwortlich.

Dieser Aufgabe sieht er sich aber gewachsen: "Das ist ein ganz schön großes Paket, und bedeutet viel Verantwortung. Aber die Funktionen sind gut verteilt: Simona Noja wird mir bei der Tanzschule helfen, Vesna Orlic als Ballettmeisterin der Volksoper wird viele Entscheidungen treffen. Das bedeutet viel Arbeit, aber ich werde versuchen, diese unterschiedlichen Funktionen auszufüllen!"

Koordinationsgeschick ist gefragt

Auch die Compagnien der Volks- und Staatsoper haben unterschiedliche Funktionen, was für Manuel Legris etwas völlig Neues ist: "Ich habe so etwas noch an keinem Theater auf der Welt gesehen, und ich musste zuallererst verstehen und analysieren: Es gibt 24 Tänzer auf der einen Seite, 80 auf der anderen, die nicht dasselbe Niveau haben. Die Tänzer der Volksoper müssen auch Operetten und Musicals tanzen, sie haben also eine klassische und auch ein wenig offene Ausbildung, sind aber weniger auf das klassische Repertoire ausgerichtet."

Er spricht außerdem über die Schwierigkeit der Koordination: "In der Volksoper müssen wir 30 Vorstellungen mehr geben - das ist auch eine Herausforderung für die Staatsoper. Es ist aber sehr schwer, Aufführgen zu machen, wo man beide mischen kann. Das hat künstlerische aber auch rein terminliche und organisatorische Gründe."

Die Tänzer der Volksoper haben 130 bis 140 Aufführungen im Jahr, jene der Staatsoper 50 bis 55. Erstere können also nicht so viel proben wie das Staatsopernballett. Legris meint, er müsse sich das Ganze noch genauer ansehen, ist aber dennoch optimistisch: "Ich glaube, dass ich dieses System beibehalten werde, ich werde es nur ein wenig anders organisieren."

Änderungen langsam aber sicher

Innovation wird von Manuel Legris auch in Bezug auf das Programm und das Repertoire erwartet. Auch da soll sich einiges ändern: Er werde Änderungen versuchen, meint er, das werde aber nicht leicht sein. Erst einmal müssten sich die Tänzer an unterschiedliche Techniken gewöhnen, etwas, das sie in den letzten fünf Jahren nicht gemacht hätten.

Außerdem könne man nicht gleich alles ummodeln und revolutionieren, denn hier an der Staatsoper habe er nur eine echte Premiere pro Jahr, was sehr wenig sei. In den fünf Jahren, für die er bestellt sei, habe er also keine sehr große Marge. An der Volksoper werde er zwei Premieren haben.

Lange Vorlaufzeit

"Ein weiteres Problem ergibt sich durch die alternierende Benützung der Bühne für Oper und Tanz, und so ist die Bühne nicht immer frei. Echte Premieren und völlig neue Aufführungen - es wird sie geben, aber auf längere Sicht. Das geht nicht auf einmal, das braucht eine gewisse Vorbereitung. Ich habe schon einiges Neues gemacht und habe noch einiges vor, ich muss aber auch sehen, wie das Publikum reagiert. In einer Zeitspanne von fünf Jahren gerechnet glaube ich wird erst die dritte oder vierte Saison dann wirklich meine Handschrift tragen", gibt sich Legris betont zurückhaltend.

Wie diese Pläne aussehen, was das Wiener Opernpublikum erwartet, das kann Manuel Legris noch nicht genau sagen: "Ich muss sehen, wie das Publikum reagiert, man kann nicht überall einfach irgendetwas machen. Ich habe ja eine klassische Ausbildung, und ich liebe das große klassische Ballett, und ich glaube in Wien muss man eine Tradition aufrechterhalten."

Optimierungsvorschläge

Verbesserungsmöglichkeiten sehe er in der Ausstattung, bei den Kostüme und der Art zu tanzen. Um Dinge zu revolutionieren brauche man die richtigen Leute: "Für meine erste Saison habe ich große Meister und Künstler, die ich kenne, ausgesucht, um sicher zu gehen. Es sind Klassiker des zeitgenössischen Tanzes. Und dann wird es an mir liegen, die richtigen Leute zu finden, die der Compagnie ihre Identität geben können. Ich glaube ja, dass dieser Compagnie ein internationales Image fehlt, die man dann in der Welt verkaufen kann, eben mit eigenen, spezifischen Aufführungen."

Das Glück im Gepäck

Er weiß aber auch, dass man nicht alles genau planen kann: "Natürlich braucht man da auch eine gute Portion Glück , denn es gibt bekannte Choreographen, die einmal eine schlechte Choreographie machen können, und umgekehrt unbekannte, die ein Meisterwerk schaffen, das können dann die Großen von morgen sein! Ich hoffe natürlich, das Glück auf meiner Seite zu haben!"

Manuel Legris hat schon einige Erfahrung, auch als Leiter einen kleinen Truppe - er tourt ja regelmäßig mit jungen Talenten unter dem Namen "Manuel Legris et ses Etoiles" um die Welt. Die Idee für diese Nachwuchscompagnie hatte er mit Monique Loudières - ein Projekt, das er nur noch sporadisch weiterführen kann. Gleichzeitig wird in Wien die Umsetzung seiner Ideen auch aus nicht-künstlerischen Gründen nicht einfach werden.

Großer Verwaltungsaufwand

"Die Mechanismen der Administration entdecke ich jeden Tag neu. Es gibt in so einem Theater voll Tradition schon eine schwerfällige Bürokratie. Ich glaube, dass das eine tägliche Auseinandersetzung, ein Kampf wird, um zu verstehen und die Dinge so weiterzubringen, wie ich es mir wünsche", gibt er sich realitätsnah.