Das Stadttheater Klagenfurt zeigt Cherubinis "Koukourgi"
Saisoneröffnung mit Uraufführung
Das Stadttheater Klagenfurt eröffnet am Donnerstag mit der Uraufführung von Cherubinis Oper "Koukourgi" die Jubiläumssaison seines 100-jährigen Bestehens. Der Komponist zählt heuer zu den musikalischen Jahresregenten.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 15.09.2010
Uraufführung nach 217 Jahren
Am 14.September wäre der in Florenz geborene Luigi Cheribini, der einen Großteil seines Lebens in Paris verbracht hat, 250 Jahre alt geworden.
Dass seine Pariser Oper "Koukourgi" nun, 217 Jahre nach ihrem Entstehen, ausgerechnet in Klagenfurt zur Uraufführung kommt, ist dem Chefdramaturgen des Stadttheaters zuzuschreiben, der sich seit Langem intensiv mit Cherubinis Gesamtwerk auseinandersetzt.
Zwei prägende Persönlichkeiten
"Koukourgi" ist eine komische Oper, an der Luigi Cherubini und sein Librettist, Marie Nicolas Honore Duverier, 1792 - zur Zeit der französischen Revolution - zu arbeiten begannen.
Die beiden trugen mit zahlreichen Werken ganz wesentlich zur Erneuerung des europäischen Musikschaffens bei. Dessen Zentrum war damals Paris und insbesondere das Theatre Feydeau, dem Cherubini als Operndirektor vorstand.
Den Namen des Titelhelden von "Koukourgi", oder besser gesagt Antihelden, dürfte Duveyrier, ein gebürtiger Südfranzose, auf ein Provençalisches Sprichwort bezogen haben: "À la descente, les courges y vont toutes seules" -"Hinunter rollen Kürbisse von ganz allein."
Eine Oper mit Gegenwartsbezug
Die skurrile Satire um den feigen chinesischen Mandarin namens Koukourgi nahm trotz der revolutionären Schreckensherrschaft in Paris direkt auf die Zeitumstände Bezug.
Duveyrier, ein erfolgreicher Jurist, Diplomat und gelegentlicher Verfasser eines Satireblattes mit gewisser Nähe zur Monarchie sollte guillotiniert werden. Es gelang ihm jedoch noch vor dem Septembermassaker 1792, als an die 1.600 Königstreue in Pariser Gefängnissen ermordet wurden, mit Hilfe Gleichgesinnter durch eine abenteuerliche Flucht nach Dänemark zu entkommen.
Cherubini hingegen hat sich währenddessen auf das Landgut eines befreundeten Theaterarchitekten in die Normandie zurückgezogen. "Koukourgi" blieb unvollendet, es fehlten bisher Finale und Ouvertüre. Auch das Libretto ist bis auf die bereits von Cherubini vertonten Teile verschwunden. Duveyriers Frau hat nach dessen Flucht sämtliche Schriften ihres Mannes verbrannt.
Cullmann rekonstruierte
Die Rekonstruktion von Koukourgi hat Klagenfurts Chefdramaturg Heiko Cullmann vorangetrieben. Er hat auch bereits eine kritische Neuausgabe der Medea, dem Monumentalwerk Cherubinis, herausgegeben und wurde dafür 2008 mit dem deutschen Musikeditionspreis ausgezeichnet.
"Cherubini hat die ausgefeilte Instrumentation, wie wir sie aus den Symphonien von Haydn oder Mozart kennen, auf die Opernmusik übertragen. Er hat die Errungenschaften der tragédie lyrique, die Gluck in Paris eingeführt hat, weitergeführt, ausgebaut und hat mit seiner Oper eigentlich die Romantik schon vorbereitet", so Cullmann.
Von den vielen Opernwerken, die Cherubini für das Theatre Feydeau komponiert hat, entstanden "Medea" und "Koukourgi" etwa zeitgleich, und bilden Paradebeispiele für den neuen Opernstil seiner Zeit.
Ein Krimi um den Nachlass
Nach Cherubinis Tod 1842 hat seine Familie mehrmals versucht dessen gesamten musikalischen Nachlass der Pariser Nationalbibliothek zu verkaufen. Man wollte jedoch den geforderten Preis nicht aufbringen.
"1878 wurde der gesamte Nachlass nach Berlin in die königliche Bibliothek verkauft. Dort blieben die Noten bis in die 1940er Jahre. Die Bombenangriffe, die auf Berlin stattfanden, waren ausschlaggebend dafür, dass die Noten schließlich verpackt und nach Schlesien ausgelagert wurden", erzählt Cullmann.
"In Schlesien lagerten die Kunstschätze zunächst auf Schloss Fürstenstein unweit des damaligen Waldenburg", berichtet der Generaldirektor der Jagiellonen-Bibliothek Krakau, Zdzisław Pietrzyk, "Anschließend wurden sie ins Zisterzienserstift Grüssau im heutigen Kamienna Góra in Polen gebracht. 1946 haben Krakauer Bibliothekare dort 491 Kisten der Berliner Sammlungen sichergestellt." Darunter befand sich auch der Autograph von "Koukourgi", der heute in der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek verwahrt wird.
Koukourgi, ein "Owezara"
Neben der einzigen weiblichen Partie in dieser opera buffa gibt es sechs weitere Protagonisten. Es handelt sich um eine Militärparodie, die in sagenhafter Zeit irgendwo im fernen Osten spielt.
Die Rolle des Koukourgi verkörpert der Tenor Daniel Prohaska. Er ist erstmals in einer größeren Opernpartie zu erleben und erzählt über seine Figur: "Er selbst ist ein - man sagt das auf Österreichisch so schön - 'Owezara'. Er lehnt sich nicht weit aus dem Fenster, wenn es irgendwie gefährlich wird, er kümmert sich mehr um die körperlichen Bedürfnisse als um seine Armee - er ist ja Feldherr. Er isst gerne, er frönt gerne der Liebe und dem Vergnügen, ist ein bisschen ein Muttersöhnchen und hat ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater."
Eine Oper voller Ironie und Satire
Cherubini als Begründer des Pariser Konservatoriums schuf mit "Koukourgi" ein Paradebeispiel einer komischen Oper - er schafft es humorvoll Ironie, Märchenhaftes und Historisches sowie private Unzulänglichkeiten und politische Utopien musikalisch miteinander zu verflechten.
Der Chefdirigent Peter Marschik meint dazu: "Das Besondere für mich ist dieses Satirische, Pointierte, sowohl im Vokalsatz als auch in der Instrumentation sehr Perfekte, geradezu Geschärfte, das ja auch seine ihn überragenden musikalischen Nachfahren wie Beethoven, Schumann, Mendelssohn an ihm geschätzt und gerühmt haben."
Der Protagonist spricht zum Publikum
Was das fehlende Libretto betrifft, wendet Regisseur Josef Ernst Köpplinger einen Kniff an: "Ich glaube, der Kniff, den Cherubini und der Librettist wollten, ist, dass Koukourgi sich durchaus auch an das Publikum wendet."
In Klagenfurt hätten sie diesen Kniff erweitert, indem der Protagonist durch die Handlung führt: "Er begrüßt also das Publikum, erklärt, dass diese Oper nicht lange gespielt worden ist, dass er kein Held, sondern ein Faulenzer ist. Das treibt die Handlung voran. Das wollten wir verknappen, gleichzeitig auch Humor erzeugen und - das ist wichtig - der Musik den ersten Stellenwert einräumen", sagt Köpplinger.
Live-Übertragung und Dokumentation
Die Oper wird am 18. September ab 20 Uhr 15 auf 3sat zur Gänze übertragen. ORF 2 sendet am Sonntagvormittag, dem 19. September, ab 9:35 Uhr unter dem Titel "Jubelfest mit Cherubini - 100 Jahre Stadttheater Klagenfurt" eine Dokumentation über das Making of von "Koukourgi" und über die Geschichte der Kärntner Landesbühne.
Service
Stadttheater Klagenfurt - Koukourgi
3sat - Programm
ORF - Programm