Frankreich empört über Kommissarin
Roma sind Thema des EU-Gipfels
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten heute Donnerstag in Brüssel eigentlich über den EU-Stabilitätspakt sowie über Partnerschaften mit China und Indien reden. Doch der Streit über die Ausweisung von Roma aus Frankreich wird nun ein großes Thema sein. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat es auf die Agenda des EU-Gipfel setzen lassen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 16.09.2010
Empörung und Entschuldigung
Sarkozy geht in die Offensive. Er ist verärgert über die EU-Kommission, will nun mit den europäischen Partnern über das Reizthema Roma-Ausweisung reden und sich dabei Unterstützung holen. Vor allem ist Sarkozy empört über EU-Kommissarin Viviane Reding, die die Ausweisung der Roma als Schande bezeichnet und sie indirekt in Zusammenhang mit Deportationen durch die Nazis gebracht hatte. Reding hat sich dafür gestern Abend bereits entschuldigt. Der französische Ministerpräsident Fillon hat das zur Kenntnis genommen, doch die Äußerungen Redings als skandalös bezeichnet.
Berlusconi: Betrifft alle
Jetzt erhält Sarkozy Unterstützung von Italiens Ministerpräsident Berlusconi, der in einem Zeitungsinterview meint, die Roma-Debatte betreffe alle Länder Europas. Man müsse darüber reden, um eine gemeinsame Position zu finden, sagt Berlusconi.
Merkel sorgt sich um guten Ton
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rügt den Tonfall von EU-Kommissarin Reding, verteidigt aber auch das Vorgehen der EU-Kommission: Die Kommission habe das Recht zu überprüfen, ob die Mitgliedsstaaten nach den rechtlichen Grundlagen der europäischen Verträge handeln, so Merkel. "Aber ich finde, dass der Ton, in dem Frau Reding es vorgebracht hat, und vor allen Dingen auch die historischen Vergleiche nicht so ganz passend waren und ich hoffe, dass man wieder zu einem guten Ton kommt."
Barroso hofft
EU-Kommissionpräsident Jose Manuel Barroso hofft, dass man zu einem Dialog mit Frankreich zurückfinden wird. Der EU-Gipfel in Brüssel könnte also spannend werden.
Kommt es zum Eklat?
EU-Korrespondent Raimund Löw im Morgenjournal-Gespräch vom 16.09.2010 mit
Pflicht der Kommission
Die Kommission ist genau dazu da: für die Einhaltung der EU-Verträge zu sorgen, auch wenn das den Regierungen nicht passt. Vivane Reding hat vielleicht beim Ton übertrieben, aber in der Sache ist es völlig klar: Es darf in der EU nicht sein,. dass EU-Bürger allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Rasse oder Religion diskriminiert werden. Das gehört zu den Grundwerten der EU. Vor Ausweisungen muss es ein rechtsstaatliches Verfahren geben. Und es darf keine kollektive Strafaktion gegen eine ganze Volksgruppe geben wie in Frankreich. Das zu untersuchen ist die Pflicht der Kommission.
Sarkozy will politisch punkten
Der Gipfel in Brüssel am heutigen Donnerstag ist keine angenehme Situation für den Vorsitzenden Herman van Rompuy. Man wird zwar auch die Roma-Unterstützungsprogramme und ihre Umsetzung in Rumänien und Bulgarien überprüfen müssen. Diese Fachdiskussion wird sich aber heute nicht abspielen, bei Sarkozy hat man eher den Eindruck, dass der nicht sehr beliebte Präsident durch eine Auseinandersetzung mit Brüssel in seinem Land politisch punkten will.