"Woyzeck" als Kunst-Musical

8. April 2017, 21:58

Waits und Wilson - ein Dreamteam

Tom Waits' Musik taucht in die schwindelerregende Tiefe einer vom Schicksal gebeutelten Seele hinab. Gemeinsam mit dem renommierten US-amerikanischen Regisseur Robert Wilson hat Tom Waits Georg Büchners Dramenfragment in ein Kunst-Musical verwandelt, das am Landestheater Linz in Österreich erstmalig inszeniert wird. Die Premiere findet am 18. September statt.

"Robert Wilson und ich sind sehr unterschiedlich, doch das ist gut, denn wenn zwei Menschen genau dasselbe wollen wird einer überflüssig. Ich empfinde große Hochachtung für Roberts Sicht der Welt", sagte der US-amerikanische Musiker Tom Waits 2001in einem Interview.

Gelungene Gegensätze

Tom Waits' heitere Melodien bilden einen harten Kontrast zur Geschichte des einfachen Soldaten Woyzeck, der, vom Hauptmann gedemütigt, von seiner Frau betrogen und vom Militärarzt für zweifelhafte medizinische Experimente missbraucht, wahnsinnig wird und seine Frau ermordet.

"Dieser Tom Waits hat einfach eine sehr starke poetische Kraft. Die Texte und die Musik sind auf der einen Seite sehr naiv, auf der anderen Seite kann man mit ihnen aber schön spielen. Sie können gerade durch ihre Naivität eine unheimliche Kraft erzeugen", sagt der deutsche Regisseur Ingo Putz.

Ein Leben im Hamsterrad

Er zieht gruselige Parallelen zwischen Georg Büchners Woyzeck aus dem Jahr 1836 und unserer krisenreichen Gegenwart: "Wenn ich ein Burnout-Syndrom bekomme, gehe ich zum Arzt. Der stellt fest, dass ich das Burnout-Syndrom habe, und macht mich wieder fit für das, wodurch ich es bekommen habe - die Gesellschaft und das System. Die Frage, ob man nicht das System verändern müsste, traut sich niemand zu stellen."

Um dem sich ewig drehenden Hamsterrad der Gesellschaft zu entfliehen, bleibt diesem modernen Woyzeck - überarbeitet, gestresst, angespannt - nur die psychische Erkrankung als Ausweg.

Gefangen im System

"Ich habe mich gefragt, wie wahnsinnig ein Mensch, der seine Familie so gut ernährt, eigentlich sein kann. Er hat verschiedene Jobs als 'Ich-AG', ist seelisch und körperlich gestresst. Ich habe diesen Wahnsinn in Frage gestellt. Wenn man das tut kommt man schnell drauf, dass die Situation im Stück mit der heutigen stark zusammenhängt. Ich kenne viele Leute, die mehrere Jobs haben, und auch 'Working Poor'", meint Putz.

So bewegen sich die Schauspieler mechanisch, mit bizarrer Künstlichkeit, gefangen in einem unveränderbaren System. Tom Waits' Musik diagnostiziert in kleinen Liedern große Katastrophen, erzählt von den Verlorenen und Geschundenen am Rand der Gesellschaft.

Übersicht

• Musical