Rolf Liebermann wäre 100
Ein Schweizer Musikgenie
Er gehörte zu den einflussreichsten und erfolgreichsten Musikmanagern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, stand einmal sogar als Wiener Opernchef zur Debatte: Rolf Liebermann, vor 100 Jahren geborenes Schweizer Allround-Musik-Genie.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus "Penelope"
Erfolge als Intendant und Komponist
Hamburg und Paris waren die zentralen Wirkungsstätten seiner Karriere als Operndirektor, freilich hat die oft so kalt wirkende Typisierung als Manager bei ihm doch einen wesentlich subtileren Hintergrund als in anderen derartigen Fällen. Rolf Liebermann war nämlich auch ein sehr erfolgreicher Komponist und aus dieser Sichtweise betrachtet gewinnen seine Erfolge als Intendant in Hamburg und Paris einen ganz besonderen Stellenwert.
Mehr als zwei Dutzend Auftragswerke sind allein während seiner Hamburger Intendanz dort zur Uraufführung gekommen, darunter "Die Teufel von Loudon" von Penderecki, "Der Prinz von Homburg" von Hans Werner Henze, und "Hilfe, Hilfe, die Globolinks" von Menotti.
Musik statt Jus
Rolf Liebermann stammte aus einer bekannten Berliner Familie, aus der etwa auch der berühmte Maler Max Liebermann hervorgegangen ist. Geboren wurde er allerdings am 14. September 1910 in Zürich, da sein Vater eine Schweizerin geheiratet hatte und daraufhin auch selbst Schweizer geworden war. Rolf Liebermann studierte auf Wunsch des Vaters in Zürich Jus und nebenbei privat Musik.
Schon in den 1930er Jahren entstanden erste Kompositionen, vor allem für ein Kabarett, ebenso für Lale Andersen, mit der er damals liiert gewesen ist. Er hat zeitweilig als Musikkritiker gearbeitet, Dirigieren bei Hermann Scherchen studiert, war Tonmeister beim Schweizer Radio und später dort auch in leitender Position tätig.
Triumphe in Salzburg
Einen ganz besonderen Triumph als Komponist erlebte Rolf Liebermann 1954 bei den Salzburger Festspielen anlässlich der Uraufführung seiner Oper "Penelope". "Der Stoff stammt aus der Zeitung", erklärte Liebermann damals in einem Gespräch mit der "Neuen Wiener Tageszeitung": "Eine Frau in Berlin, deren Mann viele Jahre in Sibirien verschollen war, dann totgemeldet und schließlich von den Behörden für tot erklärt worden war, heiratete wieder. Ihre Ehe ist glücklich. Da erhält sie eines Tages ein Telegramm vom Roten Kreuz in Genf: ihr erster Mann komme heute Abend am Berliner Bahnhof an. Die Frau findet sich am Bahnhof ein, eine Rot-Kreuz-Schwester ruft ihren Namen auf und teilt ihr mit, dass ihr Mann auf dem Transport gestorben sei. Die Frau reagiert zuerst mit einem Zusammenbruch ... dann kommt Erleichterung über sie. Sie eilt nach Hause zu ihrem zweiten Mann und findet diesen erhängt. Er hat sich das Leben genommen, um der geliebten Frau die Lösung eines unlösbaren Problems zu ermöglichen. Als ich die Zeitungsmeldung las, hatte ich das Gefühl: eine moderne griechische Tragödie, in der das 'blindwütige' Schicksal, die Ananke, waltet. Hier war mein Opernstoff!"
Prominente Singschauspieler
Mit George Szell am Pult der Wiener Philharmoniker und einem exzellenten Sängerensemble (Goltz, Rothenberger, Schock, Lorenz, Böhme) erhielt Liebermanns "Penelope" im Salzburger Festspielsommer 1954 dreißig Vorhänge und eine sensationelle Presse. Einen Platz im gängigen Opernrepertoire hat sie sich trotzdem nicht sichern können, genauso wenig wie seine Opera buffa "Die Schule der Frauen" nach einer Komödie von Moliere, für die ihm wie schon bei der "Penelope" Heinrich Strobel das Libretto geschrieben hat.
Ursprünglich war das Stück ein Auftragswerk für eine kleine amerikanische Bühne, wo 1955 auch die Uraufführung stattgefunden hat. Für die Erstaufführung bei den Salzburger Festspielen 1957 aber wurde "Die Schule der Frauen" beträchtlich erweitert, so dass man eigentlich auch hier von einer Uraufführung sprechen muss. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen und die Kritik begrüßte in seltener Einigkeit "endlich eine Spieloper aus Mozarts Geist".
Doch auch die prominenten Solisten haben wohl einen Gutteil dieses Triumphes mitgetragen: Anneliese Rothenberger, Christa Ludwig, Nicolai Gedda, Walter Berry und Kurt Böhme, während am Pult eines 26-köpfigen Kammerorchesters aus den Wiener Philharmonikern abermals George Szell gestanden ist. "Der spontanste und letzte derartig eindeutige Erfolg einer Opernuraufführung bei den Salzburger Festspielen" hat Gottfried Kraus bei der Herausgabe des Tonmitschnittes dieser Uraufführung (1993) die Wirkung dieser Buffa beschrieben.
Zauberschiff Oper
Doch Liebermann hat keineswegs nur Opern geschrieben. In seinem Werkverzeichnis finden sich ebenso kammermusikalische Werke, Lieder und vor allem auch avantgardistische Musikformen, schließlich war sein musikalischer Radius äußerst weit gesteckt.
Für die Kunstform Oper aber hatte der Anfang 1999 in Paris verstorbene Rolf Liebermann eine ebenso liebevolle wie treffliche Definition: "Sie ist der Edelstein im blühenden Beet der Kultur, ein notwendiger Luxus, der es den Menschen leichter macht, die Aggressionen der Gesellschaft zu überwinden - ein Zauberschiff zu den Ufern der Phantasie."