Reliquien in der Hand

Austrofred trifft Russell Hoban

Seit langem tourt der Musiker und Autor "Austrofred" , mit bürgerlichem Namen Franz Adrian Wenzl, als eine Art österreichische Inkarnation des Freddie Mercury durch die Lande, und gewiss wäre eine Begegnung mit ihm von bleibendem Wert gewesen.

Hoban statt Mercury

Er hat sein Vorbild aber nie getroffen. Stattdessen verweist er auf einen weit Stilleren, auf einen Schriftsteller, der ihn nicht minder beeindruckt hat, weil er ihm, so Wenzl alias Austrofred, eine geistige Grundhaltung vermittelt habe, die ihn bis heute präge. Es handelt sich um den hierzulande nahezu unbekannten, im englischsprachigen Raum jedoch hoch geschätzten Autor Russell Hoban.

"Ich hab' das Buch in einem Schüttkasten, wahrscheinlich beim Libro oder sonst irgendwo, um damals 20 Schilling gekauft, weil es mich irgendwie angesprochen hat, ich weiß gar nicht mehr, warum. Es ist eigentlich ein relativ hässliches Cover, aber es hat ganz witzig geklungen, jedenfalls ist vorne eine Krankenschwester drauf, es ist so ein altes Fischertaschenbuchdesign, das nicht mehr zeitgemäß ist, aber wenn man in dem Buch blättert, sieht man: dieser Autor hat einen ganz eigenartigen Schreibstil", meint Wenzl.

Kinderbücher für Erwachsene

Russell Hoban war jahrzehntelang Kinderbuchautor und begann erst Anfang der Siebzigerjahre, mit Mitte vierzig, auch für Erwachsene zu schreiben. Das Besondere an Hobans Stil sei, so Wenzl, dass er die einfache Sprache des Kinderbuchautors beibehalten habe, dabei aber große Themen wie Kunst, Liebe, Erotik, Wahnsinn und Tod aufgreife.

Meist gerate die Handlung ins Unwirkliche, ins Phantastische:"Es geht in dem Buch um den Herrn Kleinzeit, das ist der Name der Hauptfigur, der an einer Krankheit leidet. Es wird aber nie ganz ausgesprochen, was das eigentlich ist", erzählt Wenzl. Dann liege dieser Herr Kleinzeit im Krankenhaus und habe dort verschiedene Begegnungen. Er fliehe dann aus dem Krankenhaus und ihm laufe der Tod in Form eines kleinen schwarzen Schimpansen nach.

"Vielleicht kann ich das nicht so schlüssig transportieren, aber auf den Buchseiten ist das plötzlich eine absolut schlüssige Idee, also man hat den Schimpansen im Kopf, und trotzdem kann man das Gefühl von dieser großen Ohnmacht nachvollziehen, die der Tod bedeutet, der ihm da gegenübersteht oder der ihm nachläuft. Solche Sachen haben mich unglaublich fasziniert, wie dieser Schriftsteller es schafft, mit ganz eigenartigen Bildern große Gefühle zu treffen!", erzählt "Austrofred".

Franz Adrian Wenzl war etwa 18 Jahre alt, als er dem Buch "Kleinzeit" begegnete und war sofort davon ergriffen. Die surrealen Bilder, die unprätentiöse Sprache und die existenziellen Themen machten ihn fortan zum Hoban-Jünger.

Ein Platz neben dem Star

Eines Tages, vor fünf Jahren, erfuhr er, dass anlässlich des 80.Geburtstages seines Literatur-Idols in London ein Symposion veranstaltet werde. Franz Adrian Wenzl sollte Russell Hoban zum zweiten Mal begegnen, diesmal leibhaftig: "Als Russel Hoban-Fan hab' ich mich natürlich angemeldet."

Er habe also das Symposium besucht, wobei der Höhepunkt eine Lesung in einer Kinderbuchhandlung mit vielleicht 30 Leuten darstellte, wo der mittlerweile recht gebrechliche, aber geistig immer noch topfite Russel Hoban gelesen habe. Er habe sei ganz vorne seitlich der Bühne gesessen, und habe das Glück gehabt, dass sich das Autor dort hinsetzte.

"Ich bin schon fast vor Ehrfurcht erstarrt, und dann hat er kurz seinen Blick geschwenkt und hat mir seine beiden Gehstöcke in die Hand gedrückt. - Ihn so neben mir sitzen zu haben und seine Gehstöcke wie Reliquien in der Hand zu halten und ihm zu lauschen, das war eigentlich schon toll, viele belächeln das vielleicht auch, aber nach so einer Geschichte hat man dann schon so einen ganz anderen Zugang zu einem Autor!", erzählt Wenzl.

Die Haltung aneignen

In seinem Leben wie auch in seiner künstlerischen Laufbahn - sei es als Musiker, als Autor oder als Kunstfigur - versucht "Austrofred", sich die sprachliche und damit einhergehend die geistige Haltung Russell Hobans zu eigen zu machen.

Für ihn ist die Lektüre Hobans eine nie versiegende Quelle künstlerischer Ausdruckskraft: "Wenn man im Popbereich arbeitet, gibt es so viele Sachen, die genial produziert sind, aber es geht um überhaupt gar nichts! Und genauso gibt es Sachen, da geht es um was, aber man hat es schon tausendmal gehört. Ich finde aber, es ist das Wichtigste, eine eigene Stimme zu finden, die sowohl originell ist als auch Dinge verhandelt - von ganz alltäglichen Sachen bis zur Conditio Humana."

Bei Russel Hoban sei ihm sehr früh aufgefallen, dass er das kann. Es gebe so viele Sachen, die so unglaublich abgedroschen seien, und man höre es gar nicht mehr. Daher komme seine Bewunderung für Hoban: "Wenn da jemand einen neuen Weg findet, um etwas zu beschreiben und dabei noch den Punkt trifft, dann ist das einfach großartig", sagt Wenzl begeistert.

Service

Austrofred, "Mein Briefwechsel mit Wolfgang Amadeus Mozart", ab 29. September 2010, Rabenhof Theater

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Rabenhof Theater
Wikipedia - Russell Hoban