Wochenendfestival im Konzerthaus

"Spot on: Deutschland"

"Spot on" lautet der Titel des jährlichen Minifestivals, das Bernhard Kerres, der Chef des Wiener Konzerthauses, vor drei Jahren ins Leben gerufen hat. Nachdem die "Spots" auf jüdische und türkische Musik und Kultur geworfen wurden, ist heuer unser Nachbarland Deutschland dran.

Kulturjournal, 23.09.2010

Ein Fest zum Jubliäum

Einer der Anlässe, einen genaueren Blick auf musikalische und künstlerische Strömungen zu werfen, war, dass Deutschland in wenigen Tagen, genauer gesagt am 3. Oktober, 20 Jahre Wiedervereinigung feiert.

21 Veranstaltungen präsentieren in zwei Tagen die Vielfalt deutscher Musikkultur: von Schumann bis Lachenmann, von Hip-Hop bis Jazz. Wie schon bei den vorangegangenen Festivals "Spot on" geht es auch heuer um Wechselwirkungen und Einflüsse auf die österreichische Kultur und den Umgang mit dem musikalischen Erbe beider Länder.

Stichwort Zuwanderung

Barbara Lebitsch, die Projektleiterin von "Spot On: Deutschland", erläutert das Konzept des Festivals: "Wie auch schon bei 'Jiddischkeit' und 'Turkey Now' ist auch Deutschland in der letzten Zeit Thema geworden durch die gestiegene Zuwanderung - der Zuzug aus Deutschland etwa nach Wien hat sich in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht, es ist derzeit die größte Zuwanderungsgruppe in Österreich."

Andererseits sei man in Österreich ständig von deutscher Kunst und Kultur umgeben - im Konzertbetrieb, im Kino und in der Literatur werde deutsches Kulturgut beinahe selbstverständlich konsumiert. An diesem Wochenende solle genau darauf aufmerksam gemacht und in einer sehr intensiven Auseinandersetzung der Frage nach einem spezifischen deutschen Kulturverständnis nachgegangen werden, so Lebitsch.

Verschiedene Standpunkte, verschiedene Fragen

Künstler der unterschiedlichsten Sparten, die einerseits in Deutschland leben und arbeiten, andererseits aus Deutschland kommen, wurden eingeladen. Jeder vertritt einen sehr spezifischen Standpunkt. Der musikhistorische Weg führt vom norddeutschen Barock über Klassik und Romantik bis in die Gegenwart.

Die Fragen, die aufgeworfen werden, sind mannigfaltig: Wie gehen Musikschaffende mit dem Begriff der Tradition um? Gibt es unterschiedliche Auffassungen von Ost und West? Hat sich das Selbstverständnis des deutschen Künstlers nach 20 Jahren Wiedervereinigung geändert? Dazu gibt es nicht nur Konzerte und Filme, sondern auch zahlreiche Diskussionsrunden.

Großes künstlerisches Angebot

"Das musikalische Programm ist sehr vielfältig. Es beschränkt sich nicht auf die Klassik, sondern gibt sehr großen Raum für Jazz, Weltmusik und Popularmusik. Wir haben aber auch Lesungen und Diskussionsrunden - zum Beispiel haben wir am Festival teilnehmende Künstler eingeladen, ihr Selbstverständnis als Künstler im heutigen Deutschland zu diskutieren", verrät die Projektleiterin.

Das künstlerische Spektrum ist breit. Es gibt einen echt bayrischen Frühschoppen oder die "17 Hippies" - einen kunterbunten Haufen Berliner Musiker, wie sie sich selbst nennen, die sich einen Namen als Begründer des "Berliner Style" gemacht haben.

Es gibt ein Trio rund um den Münchner Pianisten Chris Gall, das als außergewöhnlichste Verbindung in der jungen deutschen Jazzlandschaft gilt. Helmut Lachenmann wird anwesend sein wenn die Bamberger Symphoniker seine "Tanzsuite" mit "Deutschlandlied" aufführen, und es gibt einen Abend mit Jan Josef Liefers, den das Fernsehpublikum vor allem als "Tatort"-Gerichtsmediziner kennt und der ausgewählte Songs der Rockbands seiner Jugend in der DDR vorstellt.

Abgerundet wird das Konzertprogramm durch Lesungen, wie etwa die "Loriotlesung" von Stermann und Grissemann, Filmdokumentationen wie jene über den österreichischen Dirigenten Otmar Suitner, der 26 Jahre lang die Ostberliner Staatsoper geleitet hat, oder jene, in der Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm erörtern, was ihnen am Komponieren wichtig ist. Unter dem Titel "Ehrt Eure deutschen Meister" gehen am Festival teilnehmende Künstler der Frage nach einem aktuellen deutschen Kulturverständnis auf den Grund.

Harmonisches Programm

Barbara Lebitsch ist mit dem Programm zufrieden: "Das Erstaunlichste daran war vielleicht, dass es sich trotzdem so organisch ineinander gefügt hat. Dass also all diese Positionen, die aus den unterschiedlichsten stilistischen Bereichen kommen, in Summe dann doch zumindest eine Ahnung dessen geben, wie vielfältig das Musik-, das literarische und das Filmschaffen in Deutschland ist und wie wenig man deshalb von einem speziellen deutschen Kulturverständnis sprechen kann."

Das Festival "Spot On: Deutschland" findet in allen Sälen des Wiener Konzerthauses bei freier Platzwahl statt. Es gibt einen Festivalpass zum Normalpreis von 44 Euro sowie eine Tageskarte zu 28 Euro.

Service

Wiener Konzerthaus - Spot On: Deutschland