ORF zur Herausgabe von Material erzwungen

Reform des Redaktionsgeheimnisses nötig?

Gibt es im Zusammenhang mit dem Redaktionsgeheimnis einen Reformbedarf? Eine Frage, die von den politischen Parteien höchst unterschiedlich beantwortet wird. Während die Justizministerin keine Notwendigkeit für Änderungen sieht, verlangt etwa SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sehr wohl ein Nachschärfen der Gesetze in Sachen Redaktionsgeheimnis. Die FPÖ sieht dagegen keinen Reformbedarf.

Mittagsjournal, 24.09.2010

SPÖ: "Leben nicht mehr unter Metternich"

Dass das Oberlandesgericht Wien vom ORF verlangt, das Rohmaterial zur Skinhead-Reportage herauszugeben, ist für SPÖ-Justzisprecher Hannes Jarolim nicht nachvollziehbar: "Ich verstehe diese bedauerliche Entscheidung nicht, weil das bedeutet, dass alle Aufnahmen, alle Mitschriften in Zukunft weitergeleitet werden müssen. Wir sind dort angelangt, dass sie Polizeikamera dort überall mitläuft. Das ist das Ende des freien Journalismus." Er sieht Reformbedarf. "Wir müssen einer Initiative starten zur Verbesserung des Redaktionsgeheimnisses, der Meinungsfreiheit. Wir leben nicht unter Metternich. Da muss man dagegen gesetzliche Maßnahmen treffen."

FPÖ sieht kein Problem

Ganz anders Peter Fichtenbauer von der FPÖ. In seinen Augen sind die gesetzlichen Regelungen in Sachen Redaktionsgeheimnis ausreichend. "Das Redaktionsgeheimnis ist in Österreich ehrvorragend geschützt. Es gibt keinen Anlass zu Modifizierungen." Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, das in diesem speziellen Fall die Herausgabe des Rohmaterials verlangt, geht seiner Meinung nach in Ordnung. Schließlich handle es sich nicht um Aufzeichnungen eines vertraulichen Gesprächs. Fichtenbauer: "Das war eine öffentliche Veranstaltung, wo sich der ORF öffentlich Material besorgt hat. Das ist eine andere Charakteristik. Dann müsste man alle verjagen, wenn eine ORF Kamera aufgestellt ist."

BZÖ: Anwendung problematisch

Etwas kritischer beurteilt BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner die Lage. Das Redaktionsgeheimnis ist seiner Meinung nach in Österreich zwar ausreichend geschützt, "... wie diese Gesetze angewendet werden. Wir haben in der Anwendung massive Probleme. Wir überlegen einen Misstrauensantrag gegen Ministerin Bandion-Ortner, weil sie für diese Zustände in der Staatsanwaltschaft Wien die politische Verantwortung hat.

Grüne: Justiz braucht mehr Sensibilität

Ähnlich Dieter Broz von den Grünen: "Hier sollte die Justiz mehr Sensibilität beim Redaktionsgeheimnis zeigen." Er wolle das Urteil zuerst sehen, dann werde man eventuell gesetzliche Änderungen überlegen.

Zwei heftig umstrittene Fälle

Für Aufregung sorgt der Beschlagnahmebeschluss von nicht gesendetem Rohmaterial des ORF-Fernsehmagazins "Am Schauplatz" durch das Oberlandesgericht Wien. Es geht um die Frage, ob ein junger Mann einen verbotenen Nazi-Spruch gesagt hat. Der ORF sieht dadurch das verfassungsgesetzlich geschützte Redaktionsgeheimnis verletzt. Die Argumentation, wonach Strafverfolgungsabsichten der Justiz in jedem Fall schwerer wiegen, als der Schutz des Redaktionsgeheimnisses, sei einer aufgeklärten Demokratie nicht würdig, heißt es seitens des Österreichischen Rundfunks.

Weiters für Aufregung sorgt die rechtlich nicht gedeckte Einvernahme zweier Journalisten des Magazins "profil" durch die Staatsanwaltschaft Wien: Sie wurden verhört, weil sie aus Hypo-Alpe-Adria-Gerichtsakten zitiert hatten, was zwar in Deutschland, aber nicht in Österreich verboten ist.

Ministerin verteidigt Staatsanwälte

Ministerien Claudia Bandion-Ortner verteidigt ihre Staatsanwälte. Ihre Fehler wäre sofort korrigiert worden. Sie hält der Pressefreiheit für eine wichtiges gut. Im vorliegenden Fall wäre eben ein Grundrecht gegen ein anderes gestanden. Das Gericht habe so entschieden. Das kommentiere sie nicht.

Mittagsjournal, 25.09.2010

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