Bosnien bald an EU-Außengrenze

Inzko: Zeit ist reif für Lösung der Ortstafelfrage

Valentin Inzko ist Internationaler Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina und gleichzeitig Chef des Rats der Kärntner Slowenen. Im Journal zu Gast-Interview sagt er Bosnien hätte jetzt durch die Wahlen die Chance, endlich wieder Bewegung in die Politik zu bringen. Von Bundeskanzler Faymann erwartet er sich eine Lösung des Ortstafelstreits.

Mittagsjournal, 25.09.2010

Faymann will Ortstafelfrage lösen

Als Internationaler Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina ist Valentin Inzko mit der "Bonner Vollmacht" ausgestattet. Damit hat er weitreichende Befugnisse bei der Gesetzgebung und kann sogar Politiker absetzen.

Seit drei Monaten ist Inzko zudem Chef des Rats der Kärntner Slowenen. Hätte Valentin Inzko als Chef des Rats der Kärntner Slowenen in Österreich ähnlich viel Macht wie als Hoher Repräsentant in Bosnien, dann könnte er hart durchgreifen und das Problem lösen. Davon hält Inzko aber nichts. "Diese Debatte gibt es in Kärnten tatsächlich. Aber wir haben in Österreich eine sehr würdige, alte Institution – den Verfassungsgerichtshof, dessen Urteile umzusetzen sind. Was in Bosnien-Herzegowina der Hohe Repräsentant ist, ist in Österreich der Verfassungsgerichtshof.", sagt Inzko. "Bundeskanzler Wernen Faymann hat dieses Problem von seinen Vorgängern geerbt. Ich hab den Eindruck, er will dieses Problem lösen. Bis 2012 müssten wir das über die Bühne bringen. Für mich ist Gründlichkeit wichtiger als Geschwindigkeit."

90-Jahres Feier: Kein Fest für Kärntner-Slowenen

Am 10. Oktober findet in Kärnten die 90-Jahr-Feier der Volksabstimmung statt, bei der über die staatliche Zugehörigkeit der überwiegend von Slowenen bewohnten Gebieten im Südosten Kärntens abgestimmt wurde. "Es gibt wenig zu feiern", meint Valentin Inzko. "Wir Kärntner Slowenen haben dazu natürlich einen differenzierten Zugang. Vor der Volksabstimmung wurde uns alles versprochen, bekommen haben wir aber nichts. Viele haben sogar ihre Jobs verloren."

Wieso nach so langer Zeit noch immer keine Lösung für die Ortstafelfrage gefunden wurde, erklärt sich Inzko so: "Zum Teil wird diese Frage auf Sparflamme gehalten, um daraus im richtigen Augenblick ein Feuer zu machen. Ich bin gegen das Schüren, man sollte stattdessen Lösungen finden. Die Zeit ist reif: Wir werden ja nicht am 100. Jahrestag wieder die gleichen Fragen erörtern wollen, 2020 wollen wir über ein anderes Kärnten reden." Als Internationaler Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina sehe er dort Fortschritte, die er sich auch "für manche Gemeinden in Kärnten wünschen würde."

Bosnien-Wahlen als Chance

Vor den Wahlen in Bosnien-Herzegowina am 3. Oktober fordert der österreichische Spitzendiplomat die Bevölkerung auf, die "Bonn Powers" selbst zu nutzen. Mit ihrer Stimmabgabe hätten sie doch genau diese Vollmachten in der Hand, meint Inzko. In Bosnien höre er oft: "Inzko, du musst die Bonn Powers benützen und du musst sie anwenden", sagt 61-jährige Kärntner Slowene wenige Tage vor den Wahlen. "Sie wollen, dass ich sie jeden Tag nutze." Insgesamt wurde seit dem Dayton-Vertrag (1995) von Inzko und seinen Vorgängern um die 900 Mal auf diese Befugnisse zurückgegriffen. "90 Politiker wurden entfernt, darunter drei Staatspräsidenten. Das ist kein Spaß." Die Frustration der Bevölkerung kann Inzko angesichts des politischen wie wirtschaftlichen Stillstands des Landes 15 Jahre nach Kriegsende verstehen, dennoch seien gerade die Wahlen die Chance, selbst Einfluss zu nehmen, meint Inzko. "Macht von euren Bonn Powers Gebrauch! Das ist mein Appell."

1000 Kilometer Grenze mit EU

Der Balkan, insbesondere Bosnien-Herzegowina dürfe "kein schwarzes Loch" bleiben, meint Inzko. "Wenn Kroatien 2011 oder 2010 zur EU kommt, dann wird die EU mit Bosnien eine 1000 Kilometer lange gemeinsame Grenze haben. Deswegen kann uns nicht egal sein, was dort geschieht. Europa darf Bosnien deshalb nicht vergessen. Wir wissen ganz genau: Sollte es in Bosnien wieder Krieg geben, dann wird man außerhalb Europas sagen, dass ist ein europäischer Krieg. Wird es Frieden geben, wird man sagen, das ist europäischer Friede und Prosperität."